EU will „fingerprints“ von Einreisenden

EU-Außengrenzen, Fingerprints
EU-Außengrenzen, Fingerprints(c) EPA (Justin Lane)
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Vorschlag der Kommission zu strengeren Kontrollen an den EU-Außengrenzen sorgt nicht nur wegen der explodierenden Kosten für massive Kritik.

Brüssel/Wien. Die Zahlen klingen alarmierend: In den 28 Mitgliedstaaten der EU halten sich Schätzungen der Kommission zufolge zwischen 1,9 und 3,8 Millionen „Overstayer“ auf – Menschen aus Drittstaaten also, die legal in die Union gekommen sind, aber die erlaubte Dauer ihres Aufenthalts überschritten haben.

Um diesem Problem Herr zu werden, hat Innenkommissarin Cecilia Malmström ein Maßnahmenpaket entwickelt, das sich hinter dem wohlklingenden Namen „Smart Borders Initiative“ versteckt – in Wahrheit aber stark an das US-amerikanische Einreisesystem erinnert und deshalb zunehmender Kritik ausgesetzt ist: Die Kommission will alle zehn Fingerabdrücke von Einreisenden aus Nicht-EU-Ländern erfassen sowie Zeitpunkt und Ort des Grenzübertritts elektronisch registrieren. Auch nicht visumpflichtige Personen wären von der Regelung betroffen.

Erleichterung durch Chipkarte

Das System soll dann die erlaubte Dauer des Aufenthalts automatisch berechnen und eine Warnung an die nationalen Behörden schicken, wenn der Reisende länger als erlaubt bleibt. Per Hand gestempelte Reisepässe würden damit der Vergangenheit angehören. Durch die Erfassung biometrischer Daten soll es auch möglich sein, die innerstaatliche Identifizierung von Personen vorzunehmen, die ihre Reisedokumente verloren haben, hofft die Kommission. Die Speicherfrist der biometrischen Daten soll 181Tage betragen.

Erleichterungen soll es dagegen für Vielreisende mit „niedrigerem Risikoprofil“ geben. Sie können sich im sogenannten Registered Travellers Program (RTP) registrieren lassen. Dies wird in erster Linie Geschäftsleute, Zeitarbeitskräfte, Studenten, Wissenschaftler oder Ausländer mit Verwandten in der EU treffen. Das Programm sieht vor, dass nach einem allgemeinen Sicherheitscheck und der einmaligen Zahlung von 20 Euro auf dem Flughafen für diese Gruppe „alles ganz schnell“ gehen soll: Automatische Kontrollen mit einer Chipkarte in eigens eingerichteten Schleusen ohne Grenzwachebeamte – allerdings nach Prüfung der Fingerabdrücke.

Widerstand im Parlament

Der Malmström-Vorschlag vom Frühjahr dieses Jahres muss noch von den Mitgliedstaaten und dem EU-Parlament abgesegnet werden. Insbesondere in der Bürgerkammer regt sich aber zunehmend Widerstand. Denn einerseits übersteigen die Kosten des Projekts den ursprünglich veranschlagten Rahmen von einer Milliarde Euro, wie Ska Keller, grünes Mitglied im Innenausschuss des EU-Parlaments, in einem Gespräch mit der „Presse“ erläutert. „Derzeit liegen die Schätzungen schon bei 1,3 Milliarden Euro, und die Kosten könnten weiter explodieren“ argwöhnt sie. Zudem sei das System ein „schwerer, unverhältnismäßiger Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen“.

Kampf gegen Verbrechen

Auch bei den Sozialdemokraten, den Liberalen und einigen konservativen Abgeordneten gibt es Vorbehalte – nicht aber bei EP-Verhandlungsführerin Renate Sommer (CDU). Sie bezeichnet den Vorschlag in einer Stellungnahme als „nützlich und notwendig“ – und will die Fingerabdruckdatenbank auch zur Verbrechensbekämpfung nutzen. Die Strafverfolgungsbehörden hätten dann Zugriff auf die sensiblen Daten.

Dies würde sich „ausgesprochen günstig auf die Verhinderung irregulärer Einwanderung und den Kampf gegen den Terrorismus und schwere Straftaten auswirken“, so Sommer. Zwischen den Zeilen liest sich aus dem Positionspapier freilich heraus: Wenn das System schon dermaßen teuer sein muss, sollte man es auch effizient nutzen. Ähnlich sieht das die österreichische Innenministerin, Johanna Mikl-Leitner (ÖVP). Auch sie befürwortet den Vorschlag grundsätzlich und hält einen „Zugriff der Strafverfolgungsbehörden für sinnvoll“. Leichte Zweifel hegt Mikl-Leitner nur hinsichtlich des Mehrwerts des kostenintensiven Projekts.

Die Kommission verteidigt die Pläne zu den verschärften Kontrollen vehement: Die Anzahl der Reisenden in die EU werde in den kommenden Jahren stark ansteigen, heißt es aus Brüssel. Allein an den Flughäfen werde ihre Zahl von 400 Millionen im Jahr 2009 auf 720Millionen im Jahr 2030 anwachsen. Bis dahin ist eine Verwirklichung der ehrgeizigen Malmström-Pläne jedenfalls realistisch: Die Kommission hofft auf eine Inbetriebnahme 2018.

AUF EINEN BLICK

Die Kommission hat im Frühjahr dieses Jahres eine Initiative für „intelligente Grenzen“ vorgelegt, an der sich nun zunehmend Kritik regt. Die Behörde plant, alle zehn Fingerabdrücke von Drittstaatsangehörigen, die in die EU einreisen, zu registrieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.11.2013)

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