Belvedere-Vize Alfred Weidinger greift im Fall Gurlitt frontal Kunsthandel und Provenienzforschung an. Zu Recht.
Es ist die alte Geschichte von „The Beauty and the Beast“ – welchen Glanz hätten Gustav Klimts goldene Bilder, wenn ihre Geschichte nicht den dunklen Hintergrund dafür liefern würde? Es ist zwar irgendwie öd, lamentierenden Kunsthistorikern dabei zuzuhören, dass sich die Leute immer nur für Kunst interessieren, wenn sie sehr teuer und/oder sehr illegal erworben ist. Das spricht entweder gegen den Intellekt der Menschen. Oder gegen die Kunst – das sollte man sich Fall für Fall ansehen.
Die richtigen „Fälle“ häufen sich in den letzten Tagen allerdings – die Klimt-Ucicky-Leopold-Weinhäupl-Affäre. Die Rückforderung des Beethovenfrieses. Und jetzt der Fall Gurlitt in München. 1401 Bilder, darunter natürlich viele „unbekannte“ Bilder und „Meisterwerke“ (das hält die Story am Leben). Eine tatsächliche Liste wurde noch immer nicht veröffentlicht. Die Frage ist, ob die Behörden das so einfach tun können, ohne Einverständnis des Besitzers, der immer noch als verschollen gilt. Lauter Mysterien also. Grandios. Jetzt fallen auch österreichische Stimmen ein in den Chor des Entsetzens, auch von überraschender Seite, so meldete sich gestern Mumok-Direktorin, Karola Kraus, die ebenfalls Zeitung gelesen zu haben scheint: Man soll so schnell wie möglich die Provenienzen klären, verkündet sie.
Auf glatteres Eis wagte sich Belvedere-Vize Alfred Weidinger, der eine Breitseite gegen Kunsthandel und Provenienzforschung abfeuerte: „Dass diese Sammlung existiert, war kein Geheimnis. Im Grunde genommen hat jeder wichtige Kunsthändler im süddeutschen Raum gewusst, dass es das gibt – auch in der Dimension.“ Die Restitutionsforscher hätten ihre Arbeit nicht präzise genug erledigt: „Jetzt von einer großen Entdeckung zu sprechen, ist geradezu lächerlich.“
Das sitzt. Und man muss wirklich fragen – wie konnte Cornelius Gurlitt jahrelang von Bilderverkäufen leben, ohne dass sich ein Kunsthändler fragte, ob hier alles mit rechten Dingen zugeht? Kam Gurlitt incognito in die Galerien und Auktionshäuser? Mit Trenchcoat und Schnauzer? Haben die Provenienzforscher die Gurlitt-Spur zu schlapp verfolgt? Man wird wohl nicht nur in Wien, im Dorotheum zum Beispiel, gewusst haben, dass man besser nichts anrührt, wo Gurlitt druntersteht. Kann man nur hoffen für den Wiener Handel, dass die Empörung, die einem zurzeit auf Nachfrage überall entgegenschlägt, eine echte ist.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.11.2013)