Israel war schlecht beraten, dem Todfeind ins Grab hinterherzuspucken, ohne den Schweizer Untersuchungsbericht ernst zu nehmen.
„Seifenoper", „Mehr Löcher als ein Schweizer Käse", „nicht seriös": Hämisch lesen sich die offiziellen Kommentare Israels zum 108-seitigen Untersuchungsbericht Schweizer Ärzte über den Tod des palästinensischen Erzrivalen Jassir Arafat vor neun Jahren. Allzu leichtfertig tut die Netanjahu-Regierung die Expertise der Ärzte der Uni-Klinik in Lausanne ab, die in der Leiche des „Rais" Spuren der hochgiftigen Substanz Polonium 210 nachwies und so Zweifel an der natürlichen Todesursache des schon seit Langem siech gewesenen PLO-Führers nährte.
Arafat war stets von einer geheimnisvollen Aura umwabert, um ihn rankten sich Verschwörungstheorien sonder Zahl - erst recht um seinen Tod. Klar, das der Mossad als Drahtzieher zuallererst in Verdacht geriet. Der israelische Geheimdienst hatte in der Vergangenheit hinlänglich seine Perfektion bei klandestinen Missionen unter Beweis gestellt - von der „Exekution" der Attentäter bei den Olympischen Spielen 1972 in München über Anschläge gegen palästinensische Extremisten und iranische Atomwissenschaftler. Als Klassiker im Mossad-Repertoire gilt die giftgetränkte Regenschirm-Spitze, die einen Hamas-Chef vorübergehend zur Strecke brachte.
Nur: Welchen Nutzen sollte der Tod eines Mannes haben, den Israel bereits lange kaltgestellt hatte, der am Ende politisch mehr tot als lebendig war? In seinem Hausarrest in Ramallah dämmerte der Überlebenskünstler, der zahlreiche Anschlagsversuche in seinem Exil in Beirut und Tunis überstanden hatte, dem Tod entgegen. Seine luxusverwöhnte Ehefrau Suha bezichtigte auch umgehend die Entourage Arafats des Giftkomplotts, was auf einen Machtkampf der korrupten Clique in den letzten Tagen ihres Führers hinweist.
Ein Berater des früheren israelischen Premiers Ariel Scharon, der selbst seit Jahren im Koma hindämmert, sagte zu Recht: „Es ist immer am leichtesten, Israel zu beschuldigen." Warum also beteiligt sich Israel an der Leichenfledderei, wieso liefert es seinen Gegnern noch neue Munition? Die PR-Profis in Jerusalem - ohnehin weltweit in der Defensive - waren in jeden Fall schlecht beraten, dem einstigen Todfeind ins prunkvolle Mausoleum hinterherzuspucken.