"Homosexuellen-Paragraf": Österreich verurteilt

Der Paragraf wurde 2002 abgeschafft. Verurteilungen wurden dennoch nicht aus dem Strafregister gelöscht. Österreich muss nun Betroffene entschädigen, sagt der Menschenrechtsgerichtshof.

Dass Verurteilungen nach dem 2002 aufgehobenen "Homosexuellen-Paragrafen" faktisch nicht aus dem Strafregister gelöscht werden können, hat Österreich am Donnerstag eine Verurteilung durch den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof (EMGR) eingebracht. Österreich müsse nun generell das Recht auf Löschung von menschenrechtswidrigen Verurteilungen verankern, so Helmut Graupner, Präsident des "Rechtskomitee Lambda", das sich für die Rechte von Schwulen, Lesben und Transgendern einsetzt.

Vier Männer - einer inzwischen verstorben - hatten sich an das Gericht gewandt. Sie haben nun recht bekommen und erhalten jeweils 5000 Euro Schadenersatz sowie zwischen 9000 und 16.000 Euro für die Verfahrenskosten. Es ging um Verurteilungen wegen "gleichgeschlechtlicher Unzucht mit Personen unter 18 Jahren" (Par. 209 StGB).

Verletzung der Menschenrechtskonvention

Die vier hatten die Löschung ihrer Verurteilungen aus den 1980er- und 1990er-Jahren aus dem Strafregister beantragt, jedes der Begehren war vom Obersten Gerichtshof aber 2007 abgelehnt worden. Die Begründung unter anderem: Die dafür notwendige Erneuerung der Strafverfahren hätte innerhalb von sechs Monaten nach Rechtskraft der Urteile beantragt werden müssen.

Wie der EGMR anmerkt, war das den Männern aber gar nicht möglich, denn die entsprechende Bestimmung der Strafprozessordnung gab es damals noch gar nicht. Das Gericht entschied daher, dass eine Verletzung der Menschenrechtskonvention (Benachteiligungsverbot, Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, Recht auf wirksame Beschwerde) vorliegt.

"Alle aus dem Strafregister"

Für Graupner, der die Männer vor Gericht vertrat, ist damit klar: Verurteilungen nach Par. 209 "müssen alle aus dem Strafregister raus". Er sprach sich zudem für ein Amnestie-, Rehabilitierungs- und Entschädigungsgesetz aus, wie es die Grünen bereits vor drei Legislaturperioden und seither immer wieder eingebracht hätten.

Schutzalter für Beziehungen unter Männern

Der Paragraf 209 hatte für gleichgeschlechtliche Beziehungen unter Männern ein Schutzalter von 18 Jahren vorgesehen, unter Frauen 14 Jahre. Nach Kritik des Verfassungsgerichtshofs wurde er 2002 aufgehoben und durch eine neue Bestimmung ersetzt. Paragraf 207 b regelt seither den "Missbrauch von Jugendlichen" und beinhaltet geschlechts- und beziehungsneutrale Strafbestimmungen mit zwei Altersgrenzen - 16 ("wenn die Person aus bestimmten Gründen noch nicht reif genug ist") und 18 Jahre.

(APA)

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