Burger und Wein in der Bäckerei

Bäckerei
BäckereiClemens Fabry
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Die Zahl der Bäcker sinkt. Jene aber, die neben Brot auch Wein, Martinigans & Co. anbieten, werden mehr. Nach der Bäckerei Joseph plant auch Ströck eine Filiale mit Bistro und Pâtisserie.

Wien. Fast könnte man meinen, hier gibt es etwas gratis. Beim Eingang hat sich eine Menschenschlange gebildet, junge Menschen drängen sich an die Vitrine, ältere tun es ihnen gleich, auch wenn die noch skeptisch sind und zur Verkäuferin sagen: „Ich wollte nur schauen.“ Eine Biobrot-Praline „Roggen-Honig-Lavendel” ist vielen von ihnen dann doch zu exotisch.

Das Personal ist jung, schön und gut gelaunt, das Lokal puristisch durchgestylt und die Produkte sind so, wie man sie aus Prospekten kennt, die mit den Schlagworten „bio“, „Natur“ oder „Genuss“ werben. Die Bäckerei Joseph hat in der Landstraßer Hauptstraße ein neues Geschäft eröffnet. Allerdings eines, das ein bisschen mehr als Brot und Gebäck verkauft. Auf insgesamt 500 Quadratmetern bietet „Joseph Bäckerei, Pâtisserie und Bistro“, so der offizielle Name, auch eine eigene Pâtisserie-Vitrine, eine Reihe von Zusatzprodukten, wie Marmeladen oder Getreide, und ein Bistro mit rund 60 Sitzplätzen, in dem Lammburger, Brotsalat und – wenn auch nur zur derzeitigen Saison – sogar Martinigansl serviert werden.

Inhaber Josef Weghaupt hat, wenn man so will, einen neuen Trend ausgerufen, der dem Bäckereisterben entgegenwirken soll. Denn die Zahl der Bäckereien geht seit den 1960er-Jahren zurück. Während es etwa vor 30 Jahren noch 255 Bäckereien gab, sind es heute gerade einmal 130 Bäckereibetriebe (jeweils ohne Filialen).

Sehnsucht nach gutem Brot

Die Sehnsucht nach gutem Brot – am liebsten mit dem Zusatz „so wie früher“ – dürfte derzeit aber gerade besonders groß sein. Immerhin ist Josef Weghaupt, der praktischerweise durch seinen Lokalbetrieb seine Produkte auch bis 22 Uhr (sonntags bis 21 Uhr) verkaufen kann, nicht der Einzige. Die Bäckerei Ströck hat mit dem „Ströck Feierabend“ ab Jänner, ebenfalls auf der Landstraßer Hauptstraße, etwas Ähnliches geplant. „Für uns ist es eine logische Weiterentwicklung, die wir schon Anfang August bekannt gegeben haben“, sagt Christoph Ströck, der betont, dass er kein Problem mit dem Konkurrenten hat. Denn das Ströck-Konzept sieht jenem von Joseph ähnlich. Auch am Feierabend soll es neben der Bäckerei ein Restaurant geben, das aber den Schwerpunkt auf Brot und Wein setzt. „Kulinarisch wird sich alles um Brot drehen, etwa Steak mit Sauerteigbrot mit Knoblauch und Leinöl“, sagt Ströck. Er selbst wird sich als ausgebildeter Sommelier (neben Koch und Bäcker) um die ausschließlich österreichische Weinkarte kümmern. Christoph Schramek, der schon länger bei Ströck tätig ist und zuvor Souschef im Meinl am Graben war, agiert als Küchenchef. Der Kaffee kommt aus der kleinen Rösterei Alt Wien. Und um die Pâtisserie kümmert sich auch in der Feierabend-Filiale Pierre Reboul, ebenfalls schon länger bei Ströck und zuvor im Café Central.

Apropos Pierre Reboul: Die Pâtisserie im Joseph erinnert optisch frappant an jene, die Reboul einst im Café Central und im zugehörigen Orlando di Castello produziert hat. Darauf angesprochen meint Josef Weghaupt: „Ja, die macht auch seine Freundin.“ Viola Bachmayr ist also die Chef-Pâtissière.

Offenbar dürfte sich das neue Brotgrätzel im dritten Bezirk befinden. Denn Rudolf Ölz betreibt ebenfalls auf der Landstraßer Hauptstraße schon länger eine Bäckerei inklusive Café-Restaurant. Das Restaurant Bakery im Hotel Daniel am Landstraßer Gürtel heißt hingegen nur so, Brot gebacken wird hier nicht, auch wenn das gastronomische Konzept ähnlich ist.

Der Bäcker im Hotel

Anders ist das im neuen Hotel The Guest House hinter der Albertina, das vom Café-Drechsler-Chef Manfred Stallmajer betrieben wird. Für die hauseigene Brassery & Bakey ist er mit der Bäckerei Gragger eine Kooperation eingegangen. Brot und Gebäck werden hier auch über die Gasse verkauft.

Von einem Bäckersterben kann also nur bedingt die Rede sein. Sofern diese nämlich mit einem schicken Bistro gekoppelt werden, dürfte das Konzept funktionieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.11.2013)

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