Syrische Flüchtlinge verkaufen ihre Nieren an Organhändler

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Bittere Armut treibt die Syrer dazu, ihre Organe auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen. Die Preise für Nieren sind in den vergangenen Wochen deshalb bereits gefallen.

Damaskus/Beirut. Die syrische Flüchtlingskatastrophe nimmt immer erschreckendere Ausmaße an: Materielle Not und Armut zwingen die Flüchtlinge im Libanon dazu, eine Niere oder andere Körperteile an Organhändler zu verkaufen. Das berichtete das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ unter Berufung auf einen Anwerber eines libanesischen Organhändlerrings. Derzeit würde ein Spender rund 7000 Dollar (5237 Euro) für eine Niere erhalten.

Die Armut unter den Flüchtlingen sei so groß, dass es einen regelrechten Andrang von Verkaufswilligen gebe – was bereits ein Sinken der Schwarzmarktpreise für Nieren nach sich gezogen habe. Die meisten Kunden, die zwischen 12.000 und 15.000 Dollar für eine Niere zahlen sollen, seien Ausländer aus den Golfstaaten, aber auch aus den USA und Europa, sagte der Mittelsmann.

Der Libanon bietet ideale Bedingungen für den internationalen Organhandel. Mehr als 800.000 syrische Flüchtlinge, von denen viele unter akuter Geldnot leiden, treffen hier auf zum Teil sehr reiche Kunden. Vor allem aber müssen die Organhändler keine staatlichen Kontrollen fürchten. „Das ist genau die Kombination, die Organhandel blühen lässt“, zitiert der „ Der Spiegel“ Luc Noël, den Transplantationsexperten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Genf. Die Entnahme der Organe werde in Untergrundkliniken durchgeführt.

Flüchtlingswelle steigt an

Dass der Organhandel mit syrischen Flüchtlingen in den kommenden Monaten weiter zunehmen wird, ist zu befürchten: Die Welle an Hilfesuchenden aus dem Bürgerkriegsland steigt an. Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR sind derzeit rund zwei Millionen syrische Flüchtlinge in den Nachbarländern Libanon, Jordanien und in der Türkei registriert. Diese Zahl könnte nach Einschätzung des Hilfswerks bis zum Jahresende auf bis zu 3,5 Millionen ansteigen. Bisher hätten rund 50.000 Syrer eine Aufnahme in Europa beantragt, die meisten von ihnen in Deutschland und Schweden. Die Nachbarländer Syriens haben sich mit einem dringenden Appell an die Welt gewandt, ihnen angesichts des anhaltenden Flüchtlingsstroms aus dem Bürgerkriegsland stärker zu helfen. Auch die EU drängt auf eine stärkere Beteiligung der Mitgliedstaaten bei der Aufnahme syrischer Flüchtlinge.

UNO warnt vor „verlorener Generation“

Die verheerende Situation, in der sich ihre Familien befinden, könnte vor allem das Leben vieler Kinder zerstören: Das UN-Kinderhilfswerk mahnte vor wenigen Tagen vor einer „verlorenen Generation“. Statt einer Bevölkerung, die beim Wiederaufbau des Landes helfen könne, werde es eine Bevölkerung geben, die „aufgewachsen ist inmitten von Gewalt, Konflikt und Hass“, sagte die Exekutivdirektorin von Unicef, Yoka Brandt. Unicef hat vor Kurzem ein Programm gestartet, um den syrischen Flüchtlingskindern in den Nachbarländern Zugang zur Schulbildung zu schaffen. Nothilfedirektor Ted Chaiban sagte, der Libanon, Jordanien und die Türkei seien bei der Aufnahme der Flüchtlinge bisher „extrem großzügig“ gewesen und hätten ihre Schulen für die Kinder aus Syrien geöffnet. Angesichts der großen Zahl an Flüchtlingen reichten die existierenden Schulen aber nicht aus, um alle Kinder aufzunehmen.

Im Libanon etwa seien 40.000 syrische Kinder in den öffentlichen Schulen aufgenommen worden, doch mehr sei ohne die Einstellung zusätzlicher Lehrer und die Einführung doppelter Schichten in den Schulen nicht möglich, sagt Chaiban. In der Türkei komme das Problem hinzu, dass der Unterricht nicht auf Arabisch stattfinde. Brandt sagte, es sei zwar bereits viel geleistet worden, doch angesichts des Ausmaßes des Problems müssten die Bemühungen eine „ganz andere Dimension“ erreichen. Der Finanzierungsbedarf sei weiterhin sehr groß. (ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.11.2013)

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