Grüne: „SPÖ ist nur vor Wahlen antifaschistisch"

Die Presse (Jenis)
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Die Umbenennung eines Weges nach einem jüdischen NS-Opfer scheiterte am Nein von SPÖ und FPÖ. Wiens Grüne schießen sich deshalb auf den roten Koalitionspartner ein.

Wien. „Es geht nicht, dass man jedes Jahr am 1. Mai antifaschistisch tut und dazwischen mit der FPÖ herumschwimmt." David Ellensohn ist sichtlich verstimmt - und der Grund für die Verstimmung des Klubobmanns der Grünen im Wiener Gemeinderat ist der Koalitionspartner SPÖ. Der hat nämlich kürzlich gemeinsam mit der FPÖ im Unterausschuss für Verkehrsflächenbenennungen abgelehnt, dass ein kleiner Verbindungsweg in einer Grünzone am Alsergrund nach Bertha Löwi benannt wird. Die Begründung: mangelnde Verdienste um die Stadt Wien.

Bertha Löwi war eine Wiener Jüdin und Bewohnerin des Alsergrundes, die 1941 aus Angst vor der Deportation Selbstmord beging. In der Alsergrunder Bezirksvertretung hatte man auf Initiative der Grünen den einstimmigen Beschluss gefasst, einen unbenannten Verbindungsweg zwischen Lustkandlgasse, Altmüttergasse und Wilhelm-Exner-Gasse nach Löwi zu benennen - um den „geistigen Verlust für Österreich" durch Tod und Vertreibung zahlloser jüdischer Mitbürger auf diese Weise zu bedauern. Der vergangenen Samstag in einem Gastkommentar in der „Presse" publik gewordene Fall hat für heftige Debatten gesorgt, wie mit der Erinnerung an die Judenvernichtung durch die Nazis in Hinblick auf die Benennung von Verkehrsflächen umgegangen werden soll.

Bei den Grünen zeigt man sich irritiert, dass die SPÖ dem Antrag nicht folgte - die Möglichkeit, ihn positiv zu erledigen, hätte sie nämlich gehabt. Im zuständigen Flächenbenennungsausschuss sind, weil der nach dem d'Hondtschen System zusammengesetzt wird, nur die SPÖ mit drei Mitgliedern und die FPÖ mit einem Abgeordneten als stimmberechtigte Fraktionen vertreten. Die Grünen und die ÖVP haben nur je einen nicht stimmberechtigten Vertreter im Ausschuss. Das allein, sagt Ellensohn, sei ja nicht das große Problem. Schlimm sei, dass die Sozialdemokraten ein solch „blamables Abstimmungsverhalten" an den Tag legten. Gerade weil Entscheidungen in Wien zuletzt immer mit Rot-Grün in Verbindung gebracht werden, müsse er sich davon distanzieren.

Zögerliches Vorgehen

Wobei der aktuelle Fall aus Sicht der Grünen ohnehin nur die Spitze des Eisbergs sei - generell agiere die SPÖ in ihrer Linie des Antifaschismus sehr zögerlich, klagt Ellensohn. Dass etwa eine Einigung über die Finanzierung der jüdischen Friedhöfe so lange gedauert habe, sei blamabel. Auch beim Mahnmal für homosexuelle NS-Opfer habe die SPÖ nicht die notwendige Geschwindigkeit an den Tag gelegt, so wie auch das Deserteursdenkmal immer wieder gebremst worden sei und noch werde. Da habe man über viele Jahre Ablehnungen der SPÖ kassiert. „Wenn es im Wahlkampf opportun ist, ist die SPÖ in der Breite antifaschistisch", klagt Ellensohn, „dazwischen muss die Linie offenbar boulevardtauglich gemacht werden."

Im Büro des für Umbenennungen zuständigen Kulturstadtrats Andreas Mailath-Pokorny (SPÖ) zeigt man sich mit dem Nein zur Umbenennung nicht glücklich. Zwar gibt es einen Kriterienkatalog, welche Voraussetzungen vorliegen müssen, damit eine Verkehrsfläche nach einer Person benannt wird.

Doch hebt man hervor, dass es im konkreten Fall darum gehe, dass Bertha Löwi stellvertretend für die zahllosen unbekannten Opfer des Nationalsozialismus stehen soll. „Es wird eine Anregung des Stadtrats geben", so eine Sprecherin, „dass sich der Ausschuss noch einmal mit dem Fall Löwi beschäftigt." Und ohne diesem Beschluss vorgreifen zu wollen, hoffe man darauf, dass der einstimmig gefasste Antrag des Bezirks diesmal positiv behandelt werde - und der kleine Weg am Alsergrund bald den Namen von Bertha Löwi trägt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13. November 2013)

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