Thiele: „Alte wünschen sich realistischere Darstellung“

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Martina Thiele erforscht an der Uni Salzburg Altersbilder in den Medien – und kritisiert das neue Klischee der »jungen Alten«.

Es wirkt, als sei das Thema Altersdiskriminierung stark im Kommen.

Martina Thiele: Generell bekommt Altern mehr Aufmerksamkeit, schon wegen des demografischen Wandels. Auch in der Kommunikationswissenschaft beschäftigen wir uns mit dem Bild des Alters und Alterns in den Medien.

Das Bild der Alten hat sich in letzter Zeit doch ziemlich verändert.

Wir haben festgestellt, dass vor allem in der Werbung mehr sogenannte „junge Alte“ präsent sind: aktive, attraktive Best Ager, braun gebrannt, am Strand joggend, das Leben genießend. Auf der anderen Seite, in der Berichterstattung, geht es um die Frage, wer uns im Alter pflegt, wie Löcher in der Rentenkasse zu stopfen sind. Von Pflegenotstand ist die Rede. Die Bilder dazu sind ebenso stereotyp: alte Menschen auf der Parkbank, Pflegebedürftige im Krankenbett. Beide Formen der Stereotypisierung müssen vor dem Hintergrund aktueller politischer und wirtschaftlicher Debatten betrachtet werden. Weil wir insgesamt im Durchschnitt älter werden und länger aktiv bleiben, leiten Teile der Politik und Wirtschaft ab, dass wir länger arbeiten sollen. Arbeiten bis 70 können aber längst nicht alle, abgesehen davon, dass es nicht genügend Jobs gibt.

Was ist mit den „alten Alten“?

Die über 80-Jährigen sind medial nicht wirklich präsent, und wenn, sind es die immer gleichen Bilder: der alte Mann, den eine Pflegerin füttert, die alte Frau am Fenster. Diese Bilder sind überwiegend von Agenturen, die sich auf sogenannte Stockfotografie spezialisiert haben. Wichtig wären differenziertere Berichte und Bilder über Ältere, die berücksichtigen, dass man nicht nur „alt“ ist, sondern arm oder reich, männlich oder weiblich, mehr oder weniger gesund, sozial integriert etc. Alter ist nicht unabhängig von anderen sozialen Kategorien wie Geschlecht, Klasse oder Ethnie und ist zugleich auch ein soziales Konstrukt. Man wird als alt angesehen, also bestimmen die anderen, wer alt ist.

Was sagen eigentlich die Älteren selbst zu ihrer Darstellung?

Eine aktuelle Studie, die die Analyse der Medienberichterstattung mit einer Online-Befragung von fast 4000 Personen aller Altersgruppen kombiniert, gelangt zu dem Ergebnis, dass umso mehr Kritik am medialen Altersbild geübt wird, je älter die Befragten sind. Sie wünschen sich „realistischere“ Darstellungen und wollen weniger geliftete Stars sehen, die noch mit 80 auf der Bühne stehen, als ganz normale Leute. Insgesamt steigt durch die Bilder der „jungen Alten“ der Druck, auch im Rentenalter noch toll auszusehen und aktiv zu sein. Das empfinden viele Ältere als schrecklich anstrengend. Man könne nicht einmal mehr in Ruhe alt werden. Jedenfalls setzen sich ältere Menschen durchaus kritisch mit dem medialen Altersbild auseinander und fragen sich, ob sie ihm entsprechen.

Zur Person

Martina Thiele arbeitet an der Abteilung für Kommunikationstheorien und Mediensysteme an der Uni Salzburg. Sie studierte u. a. Kommunikationsund Politikwissenschaft in Göttingen, einer ihrer Schwerpunkte ist Vorurteilsforschung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.11.2013)

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