Gurlitt ein Fall für den österreichischen Fiskus?

Wilhelm Lachnit: ''Mann und Frau im Fenster'' (1923)
Wilhelm Lachnit: ''Mann und Frau im Fenster'' (1923)(c) EPA (PUBLIC PROSECUTOR OFFICES AUGSBU)
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Der Kunstsammler, bei dem Raubkunst gefunden wurde, soll in Österreich Steuern bezahlt haben. Die Augsburger Anklagebehörde verteidigt die Steuerermittlungen.

Die deutsche Justiz muss im Fall Gurlitt ihre Steuerermittlungen gegen Cornelius Gurlitt, Sohn des Nazi-Kunsthändlers Hildebrand, möglicherweise einstellen. Laut "Süddeutscher Zeitung" (SZ) soll dieser nämlich in Österreich Steuern bezahlt haben. Aus dem österreichischen Finanzminsterium gab es dafür am Samstag mit Hinweis auf das Steuergeheimnis keine Bestätigung.

Die Augsburger Anklagebehörde verteidigte die Steuerermittlungen. "Steuerlich relevant ist nicht der Wohnsitz, sondern der Lebensmittelpunkt, und für bestimmte Steuern nicht einmal der", erklärte der Oberstaatsanwalt Reinhard Nemetz am Samstag. Die deutsche Ermittlungszuständigkeit beruhe auf dem "Verdacht, dass in Deutschland ein dem Steuergeheimnis unterliegender strafbarer Sachverhalt verwirklicht wurde", so Nemetz.

1400 Bilder, davon 600 möglicherweise Raubkunst

In Gurlitts Münchner Wohnung waren im Februar 2012 im Zuge von Steuerermittlungen rund 1.400 Bilder beschlagnahmt worden. Fast 600 davon könnten NS-Raubgut sein. Dass die Bilder bisher unter Verschluss gehalten wurden, hatte internationale Kritik ausgelöst. Die deutschen Behörden streiten sich über die Verantwortung für diese Versäumnisse.

Nach Darstellung des Justizministeriums in München soll mit dem Fall schon seit langem auch das Berliner Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen befasst sein, das zum Geschäftsbereich von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) gehört. Dieses Amt kümmert sich um die Rückgabe von Kulturgütern, die während der NS-Zeit ihren Besitzern abgepresst worden sein könnten.

Ämter streiten um Verantwortung

Bayerns Justizressort schilderte der "SZ" im Detail, wie das Bundesamt von Anfang an unterrichtet worden sei. Diese Darstellung wies das Berliner Amt zurück und betonte dem Bericht zufolge, man habe erst Anfang November aus den Medien "von dem konkreten Ausmaß und den Hintergründen des Falles erfahren".

Wie die "Wirtschaftswoche" berichtet, wollen sich deutsche Behörden bei der Aufklärung des Kunstfunds nicht von Londoner Experten helfen lassen. Das Londoner Art Loss Register (ALR) habe seine Unterstützung angeboten, um die Herkunft der gut Werke zu ermitteln. Der Leitende Oberstaatsanwalt Reinhard Nemetz habe nicht auf das Angebot reagiert. ARL ist nach Angaben der Betreiber mit 420.000 registrierten Objekten die weltweit größte privatwirtschaftliche Datenbank für verlorene oder gestohlene Kunstwerke.

(APA/dpa)

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