Polen: Tusk versucht die Flucht nach vorn

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Große Kabinettsumbildung in Polen inmitten eines neuen Korruptionsskandals. Im Finanzministerium soll ein 38-jähriger Banker die Euro-Einführung beschleunigen.

Warschau. Donald Tusks Fußballkumpel, ein Euro-Turbo und eine Intimfreundin der Kaczyński-Zwillinge sind am Mittwoch überraschend Minister der polnischen Regierung geworden. Der angeschlagene polnische Regierungschef wählte den Zeitpunkt für seine seit Monaten angekündigte Regierungsumbildung, an die schon keiner mehr glaubte, ideal: Kaum hatte das Radio die Festnahme von 18 hohen Regierungsbeamten wegen Korruption bei der Computerbeschaffung für verschiedene Ministerien verkündet, begann im Ministerrat seine Pressekonferenz.

„Wir brauchen neue Energie“, sagte Tusk und ließ drei Frauen und vier Männer aufmarschieren. Es war die bisher größte Kabinettsumbildung in seiner nunmehr sechsjährigen Amtszeit. Sieben von 17 Ministern verloren ihren Posten. Tusks Lieblingsminister Slawomir Nowak (Infrastruktur) war bereits am Freitag zurückgetreten.

Seine neue Mannschaft ist um einiges jünger und voller Überraschungen. So hatte kaum jemand in Warschau damit gerechnet, dass Tusk den international als Finanzfachmann hoch angesehenen Jacek Rostowski ersetzen wird. Doch Tusk ernannte den 38-jährigen Banker Mateusz Szczurek, der als entschiedener Befürworter einer schnellen Euro-Einführung gilt.

Ablöse mitten im Klimagipfel

Kaum weniger überrascht hat die Abberufung von Umweltminister Marcin Korolec während der Warschauer UN-Klimakonferenz. Der bei Umweltschützern wegen seiner Verteidigung der Kohle unbeliebte Korolec wird nun durch einen großen Fan des nicht minder umstrittenen Abbaus von Schiefergas ersetzt: durch den Ökonomen Maciej Grabowski. Korolec soll ihm als Regierungsbeauftragter für Klimaschutz zur Seite stehen.
Die wegen des Streits um die Früheinschulung unpopuläre Bildungsministerin Krystyna Szumilas wird durch Joanna Kluzik-Rostkowska ersetzt, die unter dem heutigen Oppositionsführer Jaroslaw Kaczyńskis Sozialministerin war.

Tusk legte das Infrastruktur- und Regionalentwicklungsministerium zusammen und beförderte Elzbieta Bienkowska zur Vize-Premierministerin. Seinen Danziger Fußballkumpel Andrzej Biernat bestellte er zum neuen Sportminister, die bekannte Soziologin Lena Kolarska-Bobinska zur Bildungsministerin und den Europarlamentarier Rafal Trzaskowski zum Minister für Informatik.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2013)

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