Iranischer Verhandler: Geben Urananreicherung nicht auf

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Irans oberster Führer legt der Verhandlungsdelegation bei den Atomgesprächen in Genf Zügel an. Die USA dämpfen die Erwartungen. Der Reaktor Arak wird zu einer Schlüsselfrage.

Genf/Washington/Moskau/Teheran. Nach dem Beginn des dritten Anlaufs zu Gesprächen in Genf für einen Atomdeal hat der iranische Vizeaußenminister die Erwartungen gedämpft. Sein Land werde die Anreicherung von Uran nicht aufgeben. Dies sei eine "rote Linie" für den islamischen Staat, sagte Abbas Aracqui. Er vermisse Vertrauen für ernsthafte Gespräche, sagte der Minister. Die Verhandlungen werde man dennoch nicht abbrechen.

In Teheran hatte Ali Khamenei, der oberste Führer des Iran, einen Auftritt vor zehntausenden Basidsch-Milizen, genutzt, um noch vor Gesprächsbeginn die Position des Regimes vorzugeben und seiner Verhandlungsdelegation Zügel anzulegen.

Er werde sich zwar nicht direkt in die Verhandlungen einmischen, betonte Khamenei. Zugleich pochte er auf einen harten Kurs: Teheran werde „kein Jota“ von seinen nuklearen Rechten abweichen. Er habe gegenüber seinen Unterhändlern jene „roten Linien“ formuliert, die das Mullah-Regime seit jeher für unverrückbar hält: das prinzipielle Recht auf Urananreicherung und die friedliche Nutzung der Atomenergie. Während der religiöse wie politische Führer mit dem Erzfeind USA verhältnismäßig milde umging, traf Frankreich der Bannstrahl seines Zorns: Französische Politiker würden vor Israel knien, höhnte er.

Vier Prämissen

Khamenei spielte auf die jüngste Rolle Frankreichs im Nuklearkonflikt an. Außenminister Laurent Fabius hatte sich in der letzten Verhandlungsrunde als „Spielverderber“ erwiesen, weil er noch vor einem offiziellen Pressetermin das Scheitern der Gespräche in die Welt hinausposaunte. In den vergangenen Tagen begab sich zudem der innenpolitisch glücklose Präsident, François Hollande, zu einem Staatsbesuch nach Israel, wo er der Regierung Netanjahu ausdrücklich seine Solidarität zusicherte. In Jerusalem definierte Hollande jene vier Prämissen, die unabdingbar für einen Atomdeal mit den fünf Vetomächten im UN-Sicherheitsrat und Deutschland seien. Er forderte eine internationale Aufsicht über die Atomanlagen, ein Einfrieren der Urananreicherung auf 20 Prozent, eine Reduktion des Uranbestands sowie einen Baustopp für den Reaktor Arak. Der Schwerwasserreaktor würde den Iran in die Lage versetzen, Plutonium zu produzieren – unverzichtbar zur Herstellung von Atomwaffen.

Khamenei konterkarierte mit seiner Rede die Politik von Präsident Hassan Rohani und dessen Außenminister, Mohammed Javad Zarif. Die beiden bemühten sich derweil unverdrossen, einen positiven Ton anzuschlagen – Zarif sogar in einem fünfminütigen Video, in dem er erneut seine Bereitschaft für eine Einigung bekundete. Rohani telefonierte mit dem britischen Premier, David Cameron, der den Iran zu einer Politik der Transparenz aufforderte, die die Bedenken zerstreuen sollte.

Irans Verhandlungsstrategie in Genf läuft darauf hinaus, eine Zwischenlösung anzustreben: eine Lockerung der Sanktionen-Daumenschrauben gegen einen Stillstand der Atomaktivitäten, dem nach einem halben Jahr ein endgültiger Atompakt folgen könnte.

Vor zwei Wochen schien ein solcher Kompromiss bereits in Reichweite. Ein vorläufiger Deal kam indessen nicht zustande, obwohl eigens die Außenminister der beteiligten Staaten nach Genf reisten. Nach dem Platzen der Gespräche bestätigte ein Bericht der in Wien ansässigen Atomenergiebehörde (IAEA) einen Stopp der Urananreicherung in Teheran.

Zwei Außenminister äußerten indessen ihren vorsichtigen Optimismus über einen positiven Ausgang der dritten Verhandlungsrunde. Der Versuch könnte diesmal gekrönt werden, erklärte Russlands Sergej Lawrow. Und Großbritanniens William Hague sagte: „Es ist die letzte Chance, bei einem der gravierendsten Probleme der Außenpolitik einen Fortschritt zu erzielen. John Kerry, ihr US-Kollege, hütete sich derweil davor, die Erwartungen hoch zu hängen. Auch der US-Präsident zeigte sich gedämpft – wohl auch, um die Gemüter im Kongress und in Israel zu beruhigen: „Ich weiß nicht, ob wir diese oder nächste Woche einen Deal schließen werden.“

Netanjahu auf Lobbying-Tour

Im kleinen Kreis überzeugte er einen kleinen Kreis von Senatoren – darunter auch skeptische Demokraten –, eine Verschärfung der Sanktionen zumindest bis zum Ende der Atomgespräche aufzuschieben. Selbst im Fall einer Einigung würde der Westen nur bis zu zehn Milliarden Dollar der eingefrorenen Konten an Teheran freigeben, berichteten US-Medien. Unterdessen brach Israels Premier, Benjamin Netanjahu, schärfster Kritiker eines Atomdeals, zu einer Lobbying-Tour auf. Erste Station: Moskau. (ag.)

KNACKPUNKTE FÜR ATOMDEAL MIT TEHERAN

Genfer Gespräche. Die dritte Verhandlungsrunde am Schweizer UN-Sitz dreht sich im Kern um einen Stopp der Urananreicherung des Iran sowie einen Verzicht auf die Fertigstellung des Reaktors Arak im Westen des Landes. In dem Schwerwasserreaktor fällt Plutonium an, das für den Bau von Atomwaffen herangezogen wird. In der letzten Gesprächsrunde hatte vor allem Frankreich auf eine Schließung des Reaktors Arak gepocht. An der Weigerung Teherans scheiterte der Deal. Die iranische Regierung will indessen eine Inspektion durch Kontrollore der Atomenergiebehörde (IAEA) zulassen. Darauf hat sie sich bereits mit IAEA-Chef Amano bei dessen Besuch vor mehr als einer Woche verständigt.
Teheran hat darüber hinaus zugesagt, die Urananreicherung auf 20 Prozent einzufrieren. Das Regime beharrt freilich auf seinem Recht auf Urananreicherung und die friedliche Nutzung der Atomenergie. Im Gegenzug für Zugeständnisse will der Westen die Sanktionen lockern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2013)

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