Deutscher Zentralrat der Juden gegen Bilderrückgabe an Gurlitt

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Die Augsburger Staatsanwaltschaft will dem Kunsthändlersohn rund 300 Werke zurückgeben. Zentralratspräsident Graumann dazu: Den "Opfern von damals" müsse zu Würde verholfen werden.

Der Kunsthändlersohn Cornelius Gurlitt soll rund 300 Bilder aus dem Münchner Kunstschatz zurückbekommen. Die Staatsanwaltschaft Augsburg geht davon aus, dass die Überprüfung der beschlagnahmten Werke spätestens kommende Woche abgeschlossen sein wird, wie die "Süddeutsche Zeitung" (Donnerstag) berichtete. Kritik kam vom Zentralrat der Juden in Deutschland.

"Es werden wohl circa 310 Gemälde sein, die zweifelsfrei Eigentum des Beschuldigten sind", sagte Oberstaatsanwalt Reinhard Nemetz dem Blatt. Die Staatsanwaltschaft hatte den Kunstschatz im Frühjahr 2012 in Gurlitts Münchner Wohnung beschlagnahmt, darunter viele Werke der klassischen Moderne. Zwei Wochen nach Bekanntgabe des Fundes hatte die Behörde am Dienstag erklärt, sie wolle Gurlitt Hunderte Bilder zurückgeben - allerdings nur Kunstwerke, die nicht im Verdacht der NS-Raubkunst und zweifelsfrei im Eigentum des 80-Jährigen stehen.

"Moralische und historische Dimension"

"Nachdem die ganze Sache über 18 Monate hinweg fast konspirativ behandelt wurde, ist nun der Schnellschuss einer pauschalen Rückgabe sicher auch der falsche Weg", kritisierte der Präsident des Zentralrats der Juden, Dieter Graumann, in der "Süddeutschen Zeitung". Bei Fällen von möglicher Raubkunst seien Sensibilität und Verantwortung gefragt; es gehe "nicht nur um den Rechtsanspruch auf Restitution". Die Sache besitze auch eine "moralische und historische Dimension". Es liege nun in der Verantwortung der Politik, "den Opfern von damals zur Würde von heute zu verhelfen". Der Jüdische Weltkongress hatte zuvor eine Änderung der Verjährungsfristen gefordert, um die Rückgabe von NS-Raubkunst zu erleichtern.

Die von der Bundesregierung geschaffene Expertenkommission zur Aufklärung des Bilderfunds will auf Gurlitt zugehen. "Transparenz und Aufarbeitung sind jetzt das Vordringlichste", sagte die Leiterin der Taskforce, Ingeborg Berggreen-Merkel, der Nachrichtenagentur dpa in Berlin. "Außerdem suchen wir mit Herrn Gurlitt das Gespräch, um mit ihm gemeinsam konstruktive Lösungen zu erarbeiten." Es sei auch in seinem Sinne, wenn er erfahre, welche seiner Werke eventuell als NS-Raubkunst belastet seien.

Die Experten-Gruppe wurde vom Bund und dem Freistaat Bayern eingesetzt. Sie soll herausfinden, bei welchen Kunstwerken aus Gurlitts Schwabinger Wohnung es sich um NS-Raubkunst handelt - möglicherweise sind es 590. Die Taskforce will noch diese Woche weitere Werke auf der Datenbank www.lostart.de einstellen.

In der Wohnung Gurlitts waren im vergangenen Jahr mehr als 1400 Kunstwerke gefunden worden. Sie sollen teils aus NS-Raubkunst stammen, könnten zum Teil aber auch zu der privaten Sammlung von Gurlitts Vater gehören. Die komplizierte Aufklärung der Besitzverhältnisse hat die Staatsanwaltschaft Augsburg übernommen. Gurlitt will die Werke, darunter viele Meisterwerke, zurück.

>> Bericht der "Süddeutschen Zeitung"

>> Datenbank www.lostart.de

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(APA/AFP)

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