"And that's the way it is": Als "Uncle Walter" die Stimme versagte

(c) EPA (Jason Szenes)
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Walter Cronkite überbrachte als TV-Moderator der Nation die Nachricht vom Tod John F. Kennedys. Der Moment hat sich ins kollektive Gedächtnis von Generationen eingegraben: Kennedy war der erste TV-Präsident, sein Tod eine Zäsur. Eine Doku feiert die Ära des Anchorman.

„And that's the way it is.“ So nüchtern und lakonisch pflegte sich Walter Cronkite, Anchorman der „CBS Evening News“, fast 20 Jahre Abend für Abend rituell von seinen Zuschauern zu verabschieden. Nur einmal verlor der allseits geschätzte „Uncle Walter“ die Fassung, als er am 22. November 1963 in einer Sondersendung den Tod des 35. US-Präsidenten zu verkünden hatte. Die Uhr im TV-Studio in New York zeigte 14.35 an, als Cronkite eine Eiltmeldung aus Dallas verlas: „Präsident Kennedy ist um ein Uhr nachmittags Central Standard Time verstorben.“

Der abgebrühte Nachrichtenmann, bereits im Zweiten Weltkrieg als Reporter im Einsatz und später die vertrauenswürdigste Persönlichkeit des Landes, setzte die Hornbrille ab. Seine Stimme stockte, und er kämpfte mit den Tränen. Jener Moment, ein prägender Augenblick für die heranwachsende Baby-Boomer-Generation, hat sich ins kollektive Gedächtnis der Nation eingegraben. „An diesem Wochenende haben die USA ihre Unschuld verloren“, konstatiert Bob Schieffer, der als junger Reporter in Dallas über das Attentat berichtet hat. Daran erinnern sich Amerikaner eines bestimmten Alters, und eine Mehrzahl weiß genau, wo sie war, als sie von den schockierenden „Breaking News“ erfuhr – die heute ubiquitär und aus nichtigen Anlässen über die TV-Schirme flimmern.

John F. Kennedy war die idealtypische Personifikation des ersten Fernsehpräsidenten: Im ersten TV-Duell der Geschichte, damals in Schwarz-Weiß, stach er Richard Nixon aus; in Ansprachen aus dem Weißen Haus, etwa zur Kuba-Krise, wandte er sich an die Nation. Bilder aus dem Familienalbum der Kennedys strömten via TV in die Wohnzimmer der Amerikaner; und die Mondlandung am Ende des Jahrzehnts, die JFK als Jahrhundertprojekt angestoßen hatte, avancierte zum zweiten medialen Großereignis der 1960er-Jahre. „Oh Boy, ein Mann auf dem Mond“, entfuhr es Walter Cronkite.

Geburtsstunde des modernen TV

Die Dokumentation „One PM Central Standard Time“, präsentiert von George Clooney – dessen Vater selbst im Nachrichten-Business arbeitete –, setzte Cronkite jetzt ein Denkmal. „An jenem Tag war er unser Dad“, sagt NBC-Moderator Brian Williams. „Es war der Tag, an dem das moderne Fernsehen geboren wurde“, notierte die „New York Times“.

50 Jahre später ist die TV- und Medienlandschaft von einem epochalen Paradigmenwechsel erfasst. Waren die TV-Abendnachrichten zur Diner-Stunde um halb sieben in den 1960er-Jahren Pflichtprogramm, sehen heute – mit absteigender Tendenz – gerade noch 20 Millionen Amerikaner die „Evening News“ der drei großen Networks. Internet-Firmen wie Amazon oder Netflix („House of Cards“) geben mittlerweile TV-Serien in Auftrag, Kabelsender blasen in einem atemlosen 24/7-News-Zirkel die Agenda zu einer Serie von Skandalen und Skandälchen auf.

Die sozialen und die Online-Medien schicken sich an, die klassischen Medien in den Hintergrund zu drängen – insbesondere punkto Aktualität und Schnelligkeit. Als Michael Jackson vor vier Jahren starb, setzte das Online-Portal TMZ, das sich auf Hollywood-Promis spezialisiert hat, die Kunde von seinem Tod als Erstes in die Welt. Walter Cronkite, der in seiner Pension fürs US-Fernsehen die Neujahrskonzerte aus Wien präsentierte, war all dies ein Gräuel. Als er indes nur ein paar Wochen nach dem „Prince of Pop“ 92-jährig starb, feierten ihn Sondersendungen als TV-Ikone und „Familienmitglied“, und Kollegen setzten via Twitter Nachrufe ab.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.11.2013)

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