Frauen 30 Jahre lang festgehalten

BRITAIN SLAVERY LONDON POLICE
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Drei Frauen, die drei Jahrzehnte lang von einem Paar in einem Londoner Haushalt festgehalten wurden, konnten sich befreien. Sie mussten vermutlich als Haussklavinnen arbeiten.

London/Wien. Als die Mitarbeiterin der Hilfsorganisation Freedom Charity ans Telefon ging, erzählte ihr die Frau am anderen Ende der Leitung zaghaft eine Geschichte, die kaum zu glauben war: Gemeinsam mit zwei weiteren Frauen werde sie seit 30 Jahren in einem Haus im Süden Londons festgehalten. Nachdem sie im Fernsehen eine Dokumentation über Zwangsehen gesehen habe, in der die Hilfsorganisation vorkam, dachte sie, diese netten Menschen könnten ihr vielleicht helfen.

Und sie konnten helfen. Die Mitarbeiter des Callcenters vereinbarten mit der nervösen Anruferin fixe Zeiten, zu denen sie in den kommenden Woche miteinander telefonieren und diese so unglaubliche Situation weiter besprechen wollten. Schließlich fühlten sich die festgehaltenen Frauen sicher genug, das Haus zu verlassen. Auf dem Gehsteig wurden sie von Mitarbeiterinnen der Organisation sowie der Polizei erwartet. „Wir haben gejubelt“, schildert die Gründerin von Freedom Charity, Aneeta Prem, den Moment der Rettung. „Es flossen jede Menge Tränen, wir umarmten einander.“

Peiniger gegen Kaution frei

Obwohl die Rettungsaktion bereits im Oktober stattfand, wurde der Fall von schwerer Sklaverei erst jetzt durch die Verhaftung der mutmaßlichen Täter bekannt.

Seine Einheit habe sich noch nie mit einem derartigen Fall befassen müssen, „in dem Menschen gegen ihren Willen ihr ganzes Leben lang festgehalten wurden“, erklärte Kevin Hyland von der Londoner Polizei bei einer Pressekonferenz. Die Opfer seien „höchst traumatisiert“. Deshalb werde es lange dauern, bis klar ist, was sich hinter der Fassade des Hauses in Lambeth tatsächlich abgespielt habe.

Fest steht: Bei den drei Frauen handelt es sich um eine 69 Jahre alte Malaysierin, eine 57-jährige Irin und eine 30 Jahre alte Britin. Sie wurden seit 30 Jahren von einem britischen Ehepaar (beide 67) in dessen Haus festgehalten. Mittlerweile sind der Mann und die Frau gegen Kaution freigekommen.Gegen sie wurde bereits in den 1970er-Jahren ermittelt, weswegen, gaben die Behörden nicht bekannt.

Die Polizei geht zudem davon aus, dass das jüngste Opfer – die 30-jährige Britin – ihr ganzes Leben in Gefangenschaft verbracht hat. Unklar ist, ob Verwandtschaftsverhältnisse zwischen den Frauen und ihren Peinigern bestehen.

Vermutlich mussten die Frauen als Haussklavinnen arbeiten. Hinweise auf sexuellen Missbrauch gebe es keine. Anscheinend hatten sie kleine Freiheiten – sonst wäre es vermutlich unmöglich gewesen, die Hilfsorganisation zu alarmieren – und wurden zum Wäscheaufhängen in den Garten oder zum Einkaufen geschickt. Laut Polizei wurden die Frauen regelmäßig geschlagen, um sie kleinzuhalten. Die Polizei sprach von „unsichtbaren Handschellen“, die eine Flucht unmöglich gemacht hätten. Ein „verstörendes Bild“ hätten die drei Opfer von ihrem Leben im Haus in Lambeth gezeichnet, das für Außenstehende normal gewirkt haben mag. Die drei Frauen werden derzeit von Freedom-Charity-Mitarbeiterinnen an einem geheimen Ort betreut. Sie befänden sich auf einer „langen Reise“ in die Eigenständigkeit, so Prem.

Tories fordern neues Gesetz

Der drastische Fall hat die gesamte Nation erschüttert: Die Nachbarn, die nichts bemerkt haben, sind erschüttert. Der Londoner Bürgermeister zeigt sich am Boden zerstört, und der Premier entsetzt. In eine bereits seit Längerem andauernde Debatte über eine Novelle des Anti-Sklaverei-Gesetzes ist am Freitag Schwung gekommen. Alle Parteien waren sich einig, dass eine rasche Umsetzung nötig sei.

AUF EINEN BLICK

In London ist ein Fall von Sklaverei bekannt geworden: Ein britisches Paar soll drei Frauen im Alter von 69, 57 und 30 Jahren drei Jahrzehnte lang in seinem Haus im Süd-Londoner Stadtteil Lambeth unter sklavereiähnlichen Bedingungen festgehalten haben. Die drei Opfer konnten sich mithilfe der Organisation Freedom Charity befreien. Die mutmaßlichen Täter wurden gegen Kaution freigelassen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.11.2013)

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