Der Maulwurf von Floridsdorf

Suspendiert wird bei der Wiener Polizei selten. Nun sollte ausgerechnet ein Whistleblower gehen müssen. Dabei füttern Polizeispitze und Innenressort den Boulevard sonst selbst gern mit Geschichten.

Die Vorgesetzten reagierten empört und einigermaßen entrüstet. Kopfgeldprämien in der Wiener Polizei? Zielvorgaben für Strafen? Eine Vorgabe von mindestens sieben Strafmandaten pro Beamten? Sicher nicht, da muss ein Abteilungsleiter irgendwo in Floridsdorf etwas gründlich missverstanden haben. Sowohl die Innenministerin als auch der Wiener Bürgermeister, dank der absurden österreichischen Föderalbundesstaatsorganisation beide zuständig, dementierten heftig. Innenressort und Polizeidirektion hoben die entsprechende Dienstanweisung, die es ja eigentlich gar nicht gegeben hatte, für alle Fälle auf.

Und da alles gar nicht passiert war, machte sich die Polizei, die in Wien dank friedvoller Zeit offenbar kaum etwas zu tun hat, auf die Suche nach dem wirklichen Feind: nach dem Maulwurf, der die angebliche Sieben-Anzeigen-Anweisung im Bezirk Floridsdorf der „Kronen Zeitung“ verraten hatte. Mit ihren effizienten Überwachungsmethoden fanden die Ermittler diesen Edward Snowden Transdanubiens und handelten. Die Behörde, die dafür bekannt ist, vor jeder disziplinären Maßnahme gegen Mitarbeiter – etwa wegen Übergriffen bei Einsätzen – Gewerkschaft, Arzt und Apotheker zu konsultieren, suspendierte den Beamten. (Dem angeblich auch noch andere Vergehen vorgeworfen werden.)

Der mächtige Polizeipräsident begründet dies sogar in einem Schreiben an die Wiener Polizisten, die einen der härtesten Jobs des Landes machen müssen, wie folgt: Der Beamte habe ein Amtsgeheimnis verraten. Und: Damit sei ein nicht mehr zu heilender Vertrauensbruch zwischen Dienstgeber und -nehmer entstanden. Der arme verletzte Präsident, sein geduldiges Vertrauen wurde missbraucht...

Das alles ist eine schöne österreichische Amtsfarce. Erstens: Schon längere Zeit werden Wiener Polizisten von ihren Kommandanten rigoros dazu angehalten, möglichst viele Strafzettel zu verteilen – selbst wenn etwa bei Veranstaltungen weder öffentliche Verkehrsmittel noch Parkplätze vorhanden sind. In einer Stadt, die zwar vergleichsweise sicher ist, aber mit einer steigenden Kriminalität in den vergangenen Jahrzehnten zu kämpfen hatte, zeugt dies von falschem Prioritätensetzen. Selbst wenn es dem Gemeindebudget hilft. Zweitens: Zielvorgaben sollten auch in der Polizei selbstverständlich sein, vielleicht besser mit der Anzahl gelöster Fälle. Drittens: Einen Polizisten zu suspendieren, der eine rechtswidrige Weisung öffentlich gemacht hat, fördert den Kadavergehorsam und zeugt von falschem Korpsgeist. Vor allem da – viertens – Polizeispitze und das Büro der Innenministerin selbst immer gern „exklusiv“ der „Krone“ berichten.

Sollte der betroffene Beamte Schlimmeres begangen haben, muss dies dringlich öffentlich gemacht werden. Der Verdacht dieses angeblichen „Amtsgeheimnis“-Verrats allein wäre zu wenig und hätte eine verheerende Signalwirkung auf andere Beamte. Aber vielleicht ist das der eigentliche Sinn und Zweck der Übung. Dabei müsste fünftens gerade die Polizei froh über Whistleblower in Ämtern, Unternehmen und Gesellschaft sein...



rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.11.2013)

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