Das darf man als Migrant nicht machen

(c) EPA (ANDY RAIN)
  • Drucken

Witze über Österreicher machen? Probleme ansprechen? Gebildeter sein, als manche es wahrhaben wollen? Lieber nicht. Denn für Menschen mit Wurzeln im Ausland gelten in Österreich oft etwas andere Regeln.

Migrant sein – was bedeutet das überhaupt? Dass man aus einem anderen Land kommt, sich in Österreich zurechtfinden muss? Auch. Aber nicht nur. Als Migrant zählt auch, wer in Österreich geboren wurde – aber Eltern hat, die keine Österreicher sind. Und hinter dem Begriff verbergen sich unzählige Varianten – von Menschen, die schon als kleines Kind ins Land gekommen sind, bis zu jenen, die erst während der Schulzeit oder sogar noch später zum ersten Mal österreichischen Boden betreten haben.

In Österreich steckt hinter dem Begriff aber meist auch eine negative Konnotation, wird Migration häufig als Defizit erlebt. Und die Menschen mit Migrationshintergrund werden vor allem als Problem wahrgenommen.

Die Maßstäbe, die an Migranten angelegt werden, sind oft andere als jene für die autochthone Bevölkerung. Und es gibt Dinge, die man als Migrant einfach nicht tun sollte – oder bei denen man damit rechnen muss, dass man dafür kritisch beäugt wird. Ein Streifzug durch Erfahrenes und Erlebtes.

1 Auf Probleme in Österreich hinweisen

Weisen Menschen mit Migrationshintergrund auf Probleme oder Ungerechtigkeiten in Österreich hin, sorgt das für Unmut. (Besonders ausgeprägt ist dieses Phänomen, wenn es um Integrations- oder Asylpolitik geht, aber nicht nur dort.) Zu hören bekommt man häufig Meldungen à la „Wenn's ihnen nicht passt, können sie ja nach Hause gehen.“ Allein, für viele sogenannte Migranten ist Österreich ja deren Zuhause. Sonst würde sie die Situation ja wohl nur peripher interessieren. Schon gar nicht darf ein Migrant über Österreich schimpfen – selbst dann nicht, wenn es die Wahrheit ist, und auch, wenn es nur um die Öffnungszeiten der Geschäfte geht. Bei einem Onlinemagazin regte sich etwa ein deutscher Arbeitskollege darüber auf, dass in Österreich die Geschäfte so früh schließen. Viele User meldeten sich, dass man ihn gern persönlich zurück nach Deutschland bringen könne.

Jelena Pantić, Nives Kovacec

2 Witze über Österreicher machen

Meine Eltern sind nicht aus den „typischen Migrationsgründen“ nach Österreich gekommen – was ja auch nicht schlimm wäre. Aber trotzdem höre ich oft, sobald meine Wurzeln thematisiert werden, dieses „Polen! Putzfrau, Autos stehlen, Baustelle“-Klischee. Das alles wäre mir ja an sich egal. Aber wehe, man macht auch nur annähernd ähnliche Witze über Österreicher...

Aleksandra Tulej

3 Über Rassismus diskutieren

Erwähnt man als Migrant auch nur den Begriff „Rassismus“, hört man schnell, dass es einem hier wohl viel zu gut geht. Und dass sich die Österreicher in dem Land, aus dem der Migrant kommt, ja auch nicht „aufführen“ können, wie sie wollen.

4 In der Muttersprache sprechen

In seiner eigenen Muttersprache spricht man in Österreich nicht. Besonders dann, wenn es eine osteuropäische ist. Hören Österreicher etwa eine französische oder spanische Konversation mit an, schwärmen sie meist davon, wie schön die jeweiligen Sprachen doch sind, und preisen die kulturelle Vielfalt an. Betreten jedoch zwei Serben die U-Bahn und unterhalten sich in ihrer Landessprache, ist es fürchterlich. „Wie viele Ausländer es doch schon gibt“, hört man dann. Und auch, dass „sie uns Österreicher bald ganz verdrängen“ werden.

Tamara Tomanic

5 Aus dem falschen Land kommen

Für viele klingt mein Nachname italienisch. Ich bekomme oft zu hören: „Oh, eine Italienerin, wie toll ist das denn?“ Sobald ich aber erwähne, dass ich ja eigentlich aus dem Kosovo komme, kommt meistens ein enttäuschtes „Oh“. Oder sogar noch besser: „Du siehst aber gar nicht so aus.“

Elona Kamberi

6 Gleiche Behandlung erwarten

Im Gymnasium hatte ich immer sehr gute Noten in Deutsch. Nur ein Mal bekam ich eine schlechte Note auf eine Deutschschularbeit – gleichzeitig hatte ein türkischstämmiger Mitschüler eine bessere Note auf seine eigentlich schlechte Arbeit. Da „Deutsch ja nicht seine Muttersprache ist, und dafür hat er das schon gut gemacht“, war die Begründung der Lehrerin. Allerdings: Er ist in Österreich geboren. Ich hingegen kam erst im Alter von sieben Jahren nach Österreich. Als ich meine Lehrerin darauf ansprach, meinte sie nur: „Ja aber du kannst ja eh gut Deutsch.“

Aleksandra Tulej

7 Sich verschreiben

Ich hatte einmal bei einem Seminar auf der Uni zwei Rechtschreibfehler in der Abschlussarbeit. Das Feedback des Professors war: „Ein Wahnsinn, nicht einmal Studenten können Deutsch.“ Meine gesamten Deutschkenntnisse wurden also infrage gestellt. Auch meine Studienkollegin, die Österreicherin ist und deren Name auch so klingt, hatte drei Fehler. Bei ihr hieß es allerdings: „Ja, das kann einem passieren.“

Elona Kamberi

8 Sich verlesen

Einmal habe ich im AKH nach der Abteilung für „Psychotherapie“ gesucht. Ich habe allerdings das Schild falsch gelesen – und habe bei der „Physiotherapie“ angeklopft. Als das Missverständnis schließlich aufgeklärt war und ich die Tür wieder hinter mir zuzog, hörte ich die Krankenschwester ziemlich unfreundlich sagen: „Wenn diese Leute doch nur lesen könnten!“ Ich bin mir nicht sicher, ob sich „diese“ auf Menschen mit Migrationshintergrund bezogen hat...

9 Sagen, woher man kommt

Ich verheimliche nie, wo meine Familie herkommt. Das führt allerdings immer wieder dazu, dass ich gefragt werde, wann ich denn wieder einmal heimfahre (also nach Serbien auf Urlaub). Diese Frage verdutzt mich immer wieder, denn ich bin in Wien daheim. Man hat das Gefühl, dass man mit Migrationshintergrund einfach nie als Österreicher wahrgenommen werden kann.

Jelena Pantić

10 Gebildet sein

Es scheint mir, als würden viele Österreicher auf Migranten ziemlich herabsehen. Oft wird getan, als wären sie automatisch weniger gebildet oder vermögend. Vielen kommt nicht in den Sinn, dass nicht jeder, der aus einem ärmeren Land gekommen ist, unbedingt Putzfrau, Bauarbeiter oder Schwarzarbeiter sein muss. Diese Denkweise kommt meiner Erfahrung nach vorwiegend in den „besten Kreisen“ vor.

Aleksandra Tulej

11 Regeln hinterfragen

Als Migrant in Österreich lernt man vor allem, in einer streng geregelten Ordnung zu leben. Das beginnt schon damit, dass man bei Rot die Straße wirklich nicht überqueren darf. Und Metalldosen dürfen nicht in den Restmüll wandern. Das ist kein Problem – und doch ist es manchmal ungewohnt. Mich hat kürzlich eine Situation daran erinnert, dass ich nicht in Österreich aufgewachsen bin: Im Mai fuhr ich von Berlin nach Wien. Ich benutzte die „Mitfahrgelegenheit“-Website, reiste also mit völlig unbekannten Menschen aus Österreich. Ich saß hinten in der Mitte – beim Abfahren fragte ich, ob ich den Gurt anschnallen soll. In Bulgarien sind Gurte nur vorn verpflichtend, hinten darf man ohne fahren. Das Mädchen neben mir hat geantwortet, dass ich mich natürlich anschnallen müsse. Sie war wirklich überrascht, dass ich es mir auch nur denken konnte, ohne Gurt zu reisen. Ich fühlte mich dumm, weil ich die Frage überhaupt gestellt hatte.

Karolina Dimitrova

12 Spazieren ohne Aufenthaltstitel

Als Migrant musst du dich immer ausweisen können. Denn wenn du den beiden Polizisten begegnest, die mich einmal in Wien Meidling aufgehalten haben, bist du sonst in einer Zwickmühle. Nachdem ich ihnen meinen Aufenthaltstitel gezeigt habe, haben sie mit den Worten „Du hast gewonnen“ ihrer Enttäuschung Ausdruck verliehen, mit mir keine Beute gemacht zu haben.

Billel Hammani

13 Besser Deutsch können

Bei Diskussionen über die deutsche Sprache (etwa über Grammatik oder Aussprache) kommt eine Botschaft anders an, wenn sie von einem Migranten kommt. Oft steht die Frage im Raum: „Wie kann ein Migrant etwas über die deutsche Sprache sagen? Er kann ja nicht auf dem Sprachniveau eines autochthonen Österreichers sein.“

Daniela Saceric

14 Die Lage gar nicht so schlecht finden

In Bulgarien streikt man seit mehr als 160 Tagen, es kommt zu gewaltigen – und gewalttätigen – Auseinandersetzungen mit der Polizei. In Bulgarien leben 22 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze, in Österreich sind es 13 Prozent. Dennoch hört man immer wieder, wie schlecht es Österreich geht. Gerade beim Vergleich mit dem Land, aus dem man kommt, ist das oft schwer nachzuvollziehen.

Vivian Gergova

15 Nicht ausländisch aussehen

Ich lernte über die Arbeit ein paar Leute kennen, und wir sprachen über unsere Heimatorte. Linz, St.Pölten usw. Ich sagte, dass ich aus Salzburg komme – mit dem Zusatz, dass ich eigentlich aus Kroatien stamme. Einer meiner Gesprächspartner, mit dem ich mich vorher schon mindestens eine Stunde unterhalten hatte, meinte: „Ja, stimmt. Du hast sehr slawische Züge.“ Ich antwortete: „Du hast auch sehr niederösterreichische Züge.“ Er hat danach ziemlich verdutzt dreingeschaut...

Marko Novokmet

16 Seinen Namen nennen

Im Frühjahr habe ich mit meiner Mitbewohnerin eine Wohnung besichtigt. Wir haben mit dem Mann, der uns die Wohnung gezeigt hat, nett geredet. Dann sagte er: „Dieses Haus ist absolut ausländerfeindlich. Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, hier wohnen nur Österreicher.“ Er kannte meinen Namen nicht. Unsere Antwort: „Genau das ist ein Grund, die Wohnung nicht zu nehmen.“

Amra Duric

17 Mit dem Islam sympathisieren.

Und ihn womöglich auch ausüben – denn dann kann man ja unmöglich integriert sein...Jelena Pantić

18Mitreden wollen.

»Du weißt ja nicht, wie es hier bei uns ist«, heißt es dann. Ein Argument, das man als Migrant vermutlich recht häufig hört.

19

Die Integrationsdebatte wirkt unaufrichtig, wenn sie ausschließlich von Österreichern geführt wird. Sie müssen sich ja nicht integrieren.

Jelena Pantić

20

Es ist schwierig, weil mir zu dem Thema nichts einfällt. Ich fühle mich gar nicht als Migrant.

Marko Novokmet

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.11.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Salon

Es ist gut, Migrant zu sein Das Beste aus zwei Welten

Feiertage doppelt feiern, andere Sprachen beherrschen und sich nicht nur an einem Ort zu Hause fühlen. Einige Vorteile des Lebens als Migrant.
Aus der Redaktion

Blattlinie: "Presse"-Praktikanten mit Wurzeln im Ausland

Unter der Regie von Erich Kocina prägten "Presse"-Praktikanten mit Wurzeln im Ausland die "Presse am Sonntag".

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.