Durchbruch im Atomstreit: Probezeit für den Iran

Durchbruch im Atomstreit: Probezeit für den Iran
Durchbruch im Atomstreit: Probezeit für den IranReuters (DENIS BALIBOUSE)
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Im Gegenzug für eine Lockerung von Wirtschaftssanktionen erklärte sich der Iran bereit, Teile seines Atomprogramms auszusetzen. Die getroffene Vereinbarung ist auf sechs Monate angelegt.

Im jahrelangen Atomstreit mit dem Iran haben die Weltmächte einen Durchbruch erzielt. Die fünf UN-Vetomächte und Deutschland einigten sich mit der Islamischen Republik nach viertägigen Verhandlungen in Genf auf ein Übergangsabkommen, wie die Unterhändler beider Seiten in der Nacht auf Sonntag mitteilten.

Im Gegenzug für eine Lockerung von Wirtschaftssanktionen erklärte sich der Iran bereit, Teile seines Atomprogramms auszusetzen und Kontrollen der Vereinten Nationen zuzulassen.

Die auf sechs Monate angelegte Vereinbarung sei ein wichtiger erster Schritt für eine umfassende Lösung, sagte US-Präsident Barack Obama. Er warnte allerdings, sollte der Iran seine Zusagen nicht einhalten, würden die Sanktionen wieder verschärft und der Druck auf die Regierung in Teheran erhöht. US-Außenminister John Kerry erklärte, Israel und andere US-Verbündete in der Region seien nun sicherer.

--> Wortlautauszüge aus der Rede des US-Präsidenten

Rohani: Abkommen eröffne "neue Horizonte"

Umstritten ist vor allem die Uran-Anreicherung, auf die der Iran bis zuletzt pochte und die ab einem gewissen Grad zum Bau von Atomwaffen genutzt werden kann. Der Iran habe lediglich das Recht zur zivilen Nutzung der Kernenergie zugestanden bekommen, sagte der französische Außenminister Laurent Fabius. Ein Recht auf die Anreicherung von Uran sei nicht eingeräumt worden, erklärte US-Außenminister Kerry.

Der iranische Präsident Hassan Rohani hat die in Genf erzielte Vereinbarung über das Atomprogramm seines Landes begrüßt. Das Abkommen eröffne "neue Horizonte", teilte Rohani über den Kurznachrichtendienst Twitter mit. "Das konstruktive Engagement (in Verbindung mit) unermüdlichen Bemühungen der Verhandlungsteams eröffnen neue Horizonte", erklärte Rohani nach der Bekanntgabe eines Durchbruchs bei den Atomgesprächen in Genf. Der iranische Außenminister Mohammad Javad Zarif sagte dagegen, das Atomprogramm seines Landes sei anerkannt worden. Dies sei ein großer Erfolg. Er sei zuversichtlich, dass die Uran-Anreicherung letztlich akzeptiert werde und alle Sanktionen aufgehoben werden. Die iranische Führung hat stets bestritten, an der Entwicklung von Atomwaffen zu arbeiten.

--> Die Atomanlagen des Iran

US-Angaben zufolge sagte der Iran unter anderen zu, die Uran-Anreicherung auszusetzen. Im Gegenzug werden gesperrte Gelder aus iranischen Ölverkäufen über 4,2 Milliarden Dollar freigegeben. Zudem wird der Handel unter anderem mit Erdölprodukten und Edelmetallen teilweise wieder ermöglicht. Die Sanktionen haben dem Land stark zugesetzt. Das Weiße Haus in Washington hat ein "Fact Sheet" veröffentlicht, in dem die Inhalte des erzielten Abkommens mit dem Iran zusammengefasst werden.

Fact Sheet

Der Iran habe sich verpflichtet, die Urananreicherung über fünf Prozent einzustellen. Weiters wird der Iran seine Bestände an auf 20 Prozent angereichertem Uran neutralisieren. In den Anreicherungsanlagen Natanz und Fordo sollen rund die Hälfte beziehungsweise drei Viertel der Zentrifugen stillgelegt werden. Darüber hinaus hat sich der Iran verpflichtet, seine Aktivitäten in Arak zu stoppen, um damit die Plutoniumproduktion zu verhindern. Zudem verpflichtet sich der Iran, keine Wiederaufbereitungsanlage zu errichten, wie sie für die Verwendung von Plutonium in einer Atombombe benötigt wird. Unangekündigte Kontrollen von Atominspektoren sollen fortan zugelassen werden.

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Das sagen die Minister

Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton sagte, das Abkommen schaffe Zeit und Spielraum für weitere Verhandlungen, um den Konflikt zu beenden. Der französischer Außenminister Laurent Fabius bezeichnete es als einen wichtigen Schritt, um Sicherheit und Frieden zu gewährleisten. Es komme nun aber vor allem darauf an, dass die Umsetzung genau überwacht werde.

Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle sprach von einem Wendepunkt. "Wir sind unserem Ziel, eine atomare Bewaffnung Irans zu verhindern, einen entscheidenden Schritt nähergekommen."

Für Vizekanzler und Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) ist die Sonntagfrüh bei den Atomverhandlungen in Genf erzielte Einigung "ein ermutigendes Signal, das in die richtige Richtung weist". Zum ersten Mal seit langem bestehe "die Hoffnung, dass wir den jahrelangen Konflikt mit dem Iran friedlich beilegen und die massiven Zweifel an seinem Atomprogramm ausräumen können", so der Außenminister.

Netanyahu: Ein "historischen Fehler"

Israel hat das in Genf erzielte Abkommen mit dem Iran als ungenügend verurteilt. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu hat die Einigung bei den Genfer Atomgesprächen mit dem Iran als "historischen Fehler" verurteilt. "Heute ist die Welt zu einem sehr viel gefährlicheren Ort geworden, weil das gefährlichste Regime der Welt dem Besitz der gefährlichsten Waffe der Welt entscheidend nähergekommen ist", sagte Netanyahu nach Angaben seines Sprechers am Sonntag.

Es sei klar, dass die Vereinbarung es Teheran erlaube, weiter Uran anzureichern. Dies werde das Wettrüsten in der Region anheizen. "Die Iraner haben letztlich einen Preis bekommen", sagte Lieberman. "Die im letzten Moment aufgenommenen Veränderungen sind unbefriedigend, das Abkommen war und bleibt schlecht", sagte auch Israels Geheimdienstminister Yuval Steinitz. Das Übergangsabkommen der Außenminister der UN-Vetomächte sowie Deutschlands mit Teheran werde ein Dauerabkommen erschweren.

Nach jahrelangem Stillstand war vor allem nach der Wahl des moderaten iranischen Präsidenten Hassan Rohani im Juni Bewegung in die Verhandlungen gekommen. Die dritte Gesprächsrunde binnen fünf Wochen hatte am Mittwoch begonnen. Ziel der USA, Großbritanniens, Frankreichs, Russlands, Chinas und Deutschlands waren vertrauensbildende Maßnahmen, um den Weg für weitere Gespräche zu ebnen. Nachdem sich Fortschritte abzeichneten stießen am Wochenende auch die Außenminister der Weltmächte hinzu.

(APA/dpa/AFP/Reuters)

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