Als der Schah begann, von einer Atombombe zu träumen

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Reza Pahlevi legte den Grundstein für das iranische Atomprogramm. Die USA und europäische Staaten machten das Geschäft, bis erste Pläne für den Bau von nuklearen Waffen ruchbar wurden. Erste Versuche einer Eindämmung scheiterten an der Islamischen Revolution.

Kairo/Teheran. Diesmal verhandelten die Europäer und die Vereinigten Staaten auf der einen, der Iran auf der anderen Seite des Tisches. Das erklärte Ziel waren enge Schranken für das iranische Atomprogramm. Doch einst waren es gerade europäische Staaten und die USA, die für den Aufbau des iranischen Atomprogramms mitverantwortlich waren. Sie hatten es sogar befördert – bis es ihnen entglitt.

Schon Schah Reza Pahlevi hatte ehrgeizige Pläne. 20 Atomreaktoren wollte der Herrscher auf dem Pfauenthron im Iran bauen lassen. Entsprechend war die Endphase der Herrschaft des Schahs in den 1970er-Jahren gepflastert mit Milliardenverträgen für Firmen aus den USA, Frankreich und Deutschland. Kernenergie zu besitzen sei ein nationales Recht, argumentierte der Diktator und ratifizierte 1970 den Atomwaffensperrvertrag.

Vier Jahre später allerdings rutschte ihm eine Bemerkung heraus, die in Washington Alarm auslöste. Persien werde Atombomben haben, „ohne jeden Zweifel und schneller als mancher denkt“, sagte der Schah in einem Interview und ließ seinen damaligen Atomchef Akbar Etemad erklären, keine Nation habe das Recht, einer anderen ihre Nuklearpolitik zu diktieren. Das weckte bei den damaligen US-Präsidenten Gerald Ford und Jimmy Carter den Verdacht, der Monarch auf dem Pfauenthron strebe nach Plutonium für Atombomben und zwar über eine eigene Wiederaufbereitungsanlage für Brennstäbe. Jahrelang verhandelten die USA mit dem Iran, um sich eine friedliche Nutzung garantieren zu lassen. Der im Sommer 1978 paraphierte Vertrag jedoch kam wegen der Islamischen Revolution nicht mehr zustande.

Die neue Führung um Ayatollah Khomeini zeigte zunächst wenig Interesse an dem Atomthema. Am Persischen Golf stand der von Deutschen konstruierte, halb fertige Reaktor Bushehr. Nachdem die Anlage 1985 im irakisch-iranischen Krieg bombardiert worden war, ließ man die Ruine stehen. Erst Mitte der Neunzigerjahre kam die Konstruktion mit russischer Hilfe wieder in Gang. Fast 20 Jahre später wurde der Reaktor schließlich im Juli 2011 an das iranische Stromnetz angeschlossen.

Umdenken in der islamischen Führung

Auch wenn Staatsgründer Khomeini stets versicherte, alle Massenvernichtungswaffen seien mit der islamischen Religion unvereinbar, kam es bei seinen Gefolgsleuten schon bald zu einem Umdenken hinsichtlich der militärischen Nutzung der Atomtechnik. Auslöser war das Trauma des irakisch-iranischen Krieges – eine halbe Million Tote und zehntausende durch irakisches Giftgas verstümmelte Veteranen, Letztere sind bis heute auf den Straßen der Islamischen Republik zu sehen. Gegen Ende des Krieges traf sich in der Stadt Kerman der damalige Chef der Revolutionären Garden, Mohsen Rezai, mit einem der führenden Kernphysiker des Landes. Wie sich der Experte erinnerte, sagte ihm Rezai damals, der Iran müsse sich mit allem bewaffnen, was für einen Sieg erforderlich sei – „auch eine Atombombe, wenn das nötig ist“. Andere Kommandeure versicherten dem Forscher, der 1992 seiner Heimat den Rücken kehrte, die nötigen Haushaltsmittel stünden bereit.

Wohin dies führte, brachten erst zehn Jahre später erstmals exiliranische Kreise ans Tageslicht. In Natanz war eine geheime Anlage zur Urananreicherung entstanden, neben der vom Schah favorisierten Plutoniumabscheidung der zweite technische Weg, um eine Atombombe zu bestücken. 2009 erfuhr die Weltöffentlichkeit von einer zweiten geheimen Anreicherungsanlage in Fordo, tief versteckt unter Felsen nahe der heiligen Stadt Qom. Verfügte der Iran beim Amtsantritt von Mahmud Ahmadinejad 2005 gerade einmal über 650 Zentrifugen, sind es heute 21.000, von denen 9000 in industriellem Maßstab rund um die Uhr laufen.

240 Kilogramm für Sprengköpfe

Inzwischen besitzt Teheran gut zehn Tonnen niedrig angereichertes Uran plus 240 Kilogramm auf 20 Prozent angereichertes Uran, von dem ausgehend sich eine waffenfähige Konzentration von 90 Prozent technisch leicht erreichen lässt. Die Hälfte des brisanten Materials haben Teherans Atomtechniker bisher für den Einsatz in Brennstäben umoxidiert und damit als Bombenstoff unschädlich gemacht. Die andere Hälfte wird nach der Genfer Einigung vom Wochenende auf niedriges Niveau zurückverdünnt, die Neuanreicherung gestoppt.

Aber auch auf der Plutoniumseite, dem einst vom Schah favorisierten Weg zur Atombombe, hat die Islamische Republik in den letzten Jahren mit dem Bau des Schwerwasserreaktors Arak große Fortschritte erzielt. Die Baustelle soll zunächst einmal stillgelegt und die Konstruktionspläne offengelegt werden. Gleichzeitig verpflichtet sich die Regierung in Teheran dazu, keine neue Wiederaufarbeitungsanlage zu errichten, mit der sich Plutonium aus verbrauchten Brennstäben extrahieren ließe.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.11.2013)

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