Kairo: Deutsch-Ägyptischer Islamkritiker entführt

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Der Autor Hamed Abdel-Samad ist Sonntagabend in der ägyptischen Hauptstadt spurlos verschwunden. Sein Bruder spricht von einer Entführung, der Verlag hat keinen Kontakt mehr zum Autor.

Der deutsch-ägyptische Autor und Islamkritiker Hamed Abdel-Samad (41) wurde Sonntagabend in Kairo entführt. Dies sagte sein Bruder Mahmoud Abdel-Samad dem ägyptischen Online-Portal "Youm7". An sich war der Autor, der wegen seiner unverblümten Kritik am islamischen Extremismus ins Visier von Islamisten geraten ist, unter Polizeischutz. Laut seinem Bruder hatte er aber für ein Treffen am Sonntagabend beim Azhar-Park freigegeben.

Kurz vor der mutmaßlichen Entführung habe der Autor im Innenministerium angerufen und berichtete, er werde verfolgt: Ein schwarzes Auto sei hinter ihm her. Wenig später sei Abdel-Samad, der in Giza (Großraum Kairo) als Sohn eines Imams geboren wurde aber seit 18 Jahren die deutsche Staatsbürgerschaft hat, auf seinem Mobiltelefon nicht mehr erreichbar gewesen.

Verlag: Haben derzeit keinen Kontakt

Beim Droemer-Verlag, der Abdel-Samads Bücher in Deutschland verlegt, konnte man eine Entführung am Montagvormittag weder bestätigen noch dementieren: "Wir erreichen den Autor momentan nicht", hieß es auf Anfrage von DiePresse.com: Man warte noch auf nähere Informationen des Auswärtigen Amtes. Die deutsche Bundeseregierung forderte "schnellstmögliche Aufklärung". Der deutsche Botschafter in Kairo sei in der Sache in Kontakt mit der ägyptischen Regierung, berichtete die FAZ in ihrer Online-Ausgabe.

Sein Bruder Mahmoud Abdel-Samad vermutet, dass Islamisten hinter dem Verschwinden seines Bruders stecken. Fundamentalistische Islam-Gelehrte haben Abdel-Samad zum "Ungläubigen" erklärt und in Fatwas zu seiner Ermordung aufgerufen. Der Autor tauchte deshalb im Juni zunächst unter. Gegen Assem Abdel-Maged, Führer der extremistischen Gamaa Islamija, wurde wegen des Mordaufrufs inzwischen ein Haftbefehl ausgestellt.

Abdel-Samad, der teils in Ägypten und teils in Deutschland lebt, wurde von Innenminister Thomas de Maizière in die Islamkonferenz berufen. Dies ist ein seit 2006 bestehendes Gremium, das den Dialog zwischen dem Deutschen Staat und den im Land lebenden Muslimben institutionalisieren soll. In seiner alten Heimat Ägypten hat der Autor, der mit Thesen wie etwa über einen "islamischen Faschismus" Aufsehen erregte, viele Feinde.

(hd)

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