Israel will an Pakt mit dem Iran „herumschrauben“

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Spezialmission aus Israel wird zu Gesprächen erwartet. Ziel ist es offenbar nicht mehr, das geschlossene Abkommen grundsätzlich zu torpedieren.

Tel Aviv/Teheran. Angesichts des als historisch bezeichneten Abkommens im Atomstreit zwischen den Vetomächten des UN-Sicherheitsrates zuzüglich Deutschlands mit dem Iran vom Wochenende unternimmt Israel offenbar einen Versuch, daran im Nachhinein „herumzuschrauben“: Im Auftrag von Israels Premierminister, Benjamin Netanjahu, soll in Kürze der oberste nationale Sicherheitsberater Israels, Yossi Cohen, samt einem Team aus Militärs, Geheimdienstleuten und Diplomaten nach Washington reisen. Man wolle mit den USA über das künftige, endgültige Abkommen mit dem Iran noch einmal „sprechen“ erklärte Netanjahu am Montag.

Ziel ist es offenbar nicht mehr, das in Genf geschlossene Abkommen, gegen das Israel wild protestiert hat, grundsätzlich zu torpedieren. Es gehe laut Netanjahu aber darum sicherzustellen, dass der Iran sein Atomprogramm ganz aufgebe – ein Ziel, das freilich unrealistisch scheint, weil sich der Iran eine Art „Rumpf-Atomprogramm“ zur friedlichen Nutzung der Kernkraft jedenfalls auch für die Zukunft vorbehalten hat.

Der Vertrag sieht vor, dass der Iran seine nuklearen Aktivitäten für den Lauf der kommenden sechs Monate limitiert. Im Gegenzug werden UN-Sanktionen, die das Land seit Jahren schädigen, teilweise aufgehoben, es geht dabei vorerst um Vermögenswerte und Geschäftsmöglichkeiten in Höhe von mehreren Milliarden Dollar. Danach soll das Abkommen durch einen endgültigen Vertrag ersetzt werden.

Das Abkommen mit Teheran, das den ein Jahrzehnt alten Atomstreit entschärfen soll, dürfte jedenfalls strategische Auswirkungen im Nahen Osten haben: Es werde, sagen Kritiker, den Iran stärken, weil er durch die Lockerung der Sanktionen wieder Reichtum und Macht zurückgewinnen könne. Seine islamistische Führung könne damit schiitische Muslime in arabischen Ländern noch stärker als bisher unterstützen und so diese Staaten destabilisieren.

Iran als Hegemonialmacht?

Die arabischen Machtzentren Ägypten und Irak, die seit Jahren unter Religionskonflikten leiden, dürften dagegen durch das Abkommen weiter geschwächt werden. Die Golfstaaten sind daher ebenso wie Israel alarmiert: Sie befürchten, dass das Abkommen dem Iran den Aufstieg zu einer neuen regionalen Hegemonialmacht ermöglichen könnte, die ihnen feindselig gegenübersteht.

Befürworter der Vereinbarung argumentieren, eine Verständigung USA/Iran könnte helfen, den Nahen Osten zu stabilisieren und den Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten zu entschärfen. Rami Khoury von der American University in Beirut kann sich gar eine Annäherung zwischen den geistlichen Führern des Iran und Saudiarabiens vorstellen, das mit den USA verbündet ist. (ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.11.2013)

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