Strassers Werk und Bandions Beitrag

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Dass Strasser weiter auf einen Freispruch hoffen darf, hat auch damit zu tun, dass das Gesetz 2009 aufgeweicht wurde. Und erst nach Ernst Strassers Tat wieder verschärft.

Wien. Manches hat eine gewisse Ironie. Etwa, dass es Ernst Strasser zu „verdanken“ ist, dass sich Amtsträger nicht mehr anfüttern (also sich losgelöst von einer konkret vereinbarten Gegenleistung beschenken) lassen dürfen. Strassers Fall war es, der, gepaart mit anderen Skandalen, die Politik dazu brachte, das Korruptionsstrafrecht wieder zu verschärfen. Dabei war dieses schon zuvor verschärft, aber wieder aufgeweicht worden. Und in genau diese Zeit fielen Strassers Kontakte mit den vermeintlichen Lobbyisten im Jahr 2010. Deswegen konnte der Ex-Politiker nicht wegen Anfütterung angeklagt werden. Was blieb, war der Vorwurf der Bestechung. Der (schwierigere) Nachweis, dass sich Strasser Geld für ein pflichtwidriges Amtsgeschäft versprechen ließ, sei aber noch nicht gelungen, meint der Oberste Gerichtshof. Und verwies die Causa am Dienstag an die erste Instanz zurück.

Doch warum war das Korruptionsstrafrecht zwischenzeitig aufgeweicht worden? Alles begann damit, dass Vertreter der Wirtschaft und vor allem Veranstalter gegen die Anfütterungsregeln Sturm liefen. Anfang 2008 war das unter Justizministerin Maria Berger (SPÖ) gezimmerte Gesetz gegen Anfüttern in Kraft getreten. Nun aber fürchteten Veranstalter, dass sie ihre Tickets nicht loswerden, wenn Firmen diese nicht mehr kaufen und Amtsträgern schenken. „Das ist eine Kulturrevolution, gegen die ich kämpfe“, sagte damals etwa Helga Rabl-Stadler, Präsidentin der Salzburger Festspiele. Man dürfe die österreichische Gastfreundschaft nicht kriminalisieren. Mehrere Strafrechtsexperten betonten hingegen, dass das Anfüttern sehr wohl strafbar sein soll, damit sich niemand die Gunst von Beamten und Politikern kaufen kann. Aber auch viele Juristen erklärten, dass man das Gesetz konkreter fassen sollte, um klarer zu zeigen, wann Einladungen erlaubt sind und wann nicht.

Was dann kam, war nicht einfach eine Konkretisierung. Es war eine totale Aufweichung des Tatbestandes, die das Anfüttern faktisch erlaubte. Claudia Bandion-Ortner, unabhängige Justizministerin von schwarzen Gnaden, hatte die ab September 2009 gültige Novelle entworfen. Warnende Worte gab es zur Genüge. „Die Anfütterungsbestimmung ist totes Recht“, klagte etwa der damalige Leiter der Korruptionsstaatsanwaltschaft, Walter Geyer, im Gespräch mit der „Presse“. Freude über die Abschaffung der Bestimmung kam hingegen bei Firmen auf, die im Zusammenhang mit der Fußball-EM 2008 großzügige VIP-Einladungen an Amtsträger verteilt haben sollen. Die Ermittlungen der Justiz mussten nun eingestellt werden.

Öffentlicher Druck auf Politik wuchs

Auch als Beatrix Karl (ÖVP) im April 2011 das Justizministerium betrat, machte sie zunächst keine Anstalten, Anfüttern strafbar zu machen. Doch der öffentliche Druck wuchs. Kurz vor Karls Amtsantritt war das Video öffentlich geworden, in dem sich Strasser gegenüber als Lobbyisten getarnten Journalisten gefügig zeigte, gegen Geld in ihrem Sinne zu handeln. Dazu kam die Telekom-Affäre, die die Öffentlichkeit wachrüttelte. Auch der Europarat verabsäumte es nicht, in einem Bericht ein vernichtendes Urteil über die Korruptionsbekämpfung in Österreich zu fällen. Inzwischen hatte Karl erkannt, dass sie handeln musste, und entwarf ein schärferes Korruptionsstrafrecht. Dieses wurde im Vorjahr beschlossen, seit Anfang 2013 ist Anfüttern nun wieder verboten.

Zwei Jahre Haft drohen laut §306 des Strafgesetzbuchs (StGB) nun einem Amtsträger, der „mit dem Vorsatz, sich dadurch in seiner Tätigkeit als Amtsträger beeinflussen zu lassen, für sich oder einen Dritten einen Vorteil fordert oder einen ungebührlichen Vorteil annimmt oder sich versprechen lässt“. Beträgt das versprochene Geschenk (wie im Fall Strasser) über 50.000 Euro, so ist gar eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren vorgesehen. Kleine Geschenke unter 100 Euro hingegen sollen straffrei bleiben.

Strasser, der seine Unschuld betont, kann die Novelle egal sein. Strengere Strafgesetze gelten (im Gegensatz zu milderen) nicht rückwirkend. Und Claudia Bandion-Ortner, die als Ministerin das Korruptionsstrafrecht aufweichte? Sie erhielt nach ihrer Ministertätigkeit (und bevor sie zum interreligiösen Kulturforum ging) einen Job bei der internationalen Anti-Korruptionsakademie in Laxenburg. Manches hat eine gewisse Ironie.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.11.2013)

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