Rückgabe muss warten: Gurlitt "nicht erreicht"

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Der Münchner Kunstsammler, dessen Sammlung beschlagnahmt wurde, soll 300 Bilder zurückbekommen. Das Wuppertaler Museum fordert Werke zurück.

Der Münchner Kunstsammler Cornelius Gurlitt, dessen Sammlung 2012 beschlagnahmt wurde, hat nach Angaben der Behörden bisher keinen Termin zur Übergabe jener 300 Bilder vereinbaren wollen, die ohne Zweifel ihm gehören. Auch die eingerichtete "Task-Force" sei an einer Kontaktaufnahme gescheitert. "Es ist so, dass sich der Beschuldigte bisher nicht bereit erklärt hat zu einer Terminvereinbarung", sagte der Münchner Generalstaatsanwalt Christoph Strötz am Mittwoch im Kunstausschuss des bayerischen Landtags.

Die Behörden hätten den Kontakt zu ihm "über einen bestimmten Zeitraum gepflegt". Auch mit der Taskforce "Schwabinger Kunstfund" sprach Gurlitt nicht. "Für ein Gespräch braucht man einen Gesprächspartner", sagte die Leiterin der Expertengruppe, Ingeborg Berggreen-Merkel. "Ich habe versucht, ihn zu erreichen, es ist mir aber bisher nicht gelungen."

Selbst gemalt oder nach 1945 erworben

Die Staatsanwaltschaft Augsburg hatte vor einer Woche erklärt, Gurlitt rund 300 Bilder aus seiner - je nach Zählweise - 1406 oder 1280 Werke umfassenden Sammlung zurückzugeben. Das sind nach Angaben von Bayerns Justizminister Winfried Bausback (CSU) Bilder, die Mitglieder der Familie Gurlitt selbst angefertigt haben oder die erst nach 1945, nach dem Ende des Nazi-Regimes, entstanden sind.

Währenddessen fordert das Wuppertaler Von-der-Heydt-Museum möglichen früheren Besitz aus der Sammlung Gurlitt zurück. Museumsdirektor Finckh hat der Staatsanwaltschaft eine Liste mit rund 500 Werken zukommen lassen, die die Nationalsozialisten 1937 im Zuge der Aktion „Entartete Kunst" in den Vorläuferinstitutionen des Museums beschlagnahmt hatten. Finckh begründet die Forderung damit, dass diese Institutionen privat geführt worden seien. Somit bestehe ein Rechtsanspruch auf Rückgabe.

Schwere Mängel der Behörden

Bei der Sitzung des Landtags-Ausschusses wurde der Fall, der längst politische Bedeutung erlangt hat, auf dem politischen Parkett behandelt wurde. Bayerns Justizminister Winfried Bausback (CSU) erstattete den Abgeordneten umfassend Bericht und kritisierte schwere Mängel im Umgang der Behörden - auch seiner eigenen - mit dem spektakulären Fund.

Die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, die nach Angaben Bausbacks früh in die Ermittlungen eingebunden waren, informierten das Kunstministerium nicht. Fünf Berichte über die Bildersammlung seien im Justizministerium angekommen, einige davon wurden nach Angaben von Justizminister Bausback sogar von dem persönlichen Referenten seiner Vorgängerin Beate Merk (CSU) abgezeichnet - ohne die Chefin zu informieren. Die beiden erfuhren nach eigenen Angaben erst aus den Medien von dem Fund. Für Bausback ein Grund, aufzuräumen in seinem Haus: Künftig solle es eine regelmäßige Besprechung über wichtige laufende Verfahren geben.

Die Aufarbeitung des Falls sei viel zu langsam in Gang gekommen. "An diesem Verlauf ist aus heutiger Sicht zu kritisieren, dass die Provenienzrecherche lange - zu lange - gedauert hat", sagte Bausback.

Acht bis zehn Experten

Mehr als ein Jahr lang nur eine einzige Expertin mit der Begutachtung der Bilder zu beauftragen, sei deutlich zu wenig gewesen. "Bund und Länder hätten hier früher mehr Experten an die Provenienzrecherche setzen müssen, um in kurzer Zeit zu validen Ergebnissen zu kommen." Die inzwischen eingesetzte Taskforce soll voraussichtlich aus acht bis zehn Experten bestehen - zusätzlich zu einem "breiten Unterbau", wie Berggreen-Merkel betonte. Voraussichtlich soll auch eine US-amerikanische Expertin Teil der Gruppe werden.

Bausback forderte, die Provenienzrecherche in Deutschland müsse insgesamt auf eine breitere Basis gestellt werden und wiederholte seine Forderung nach einer Gesetzesänderung zur Rückgabe von NS-Raubkunst. In einer Bundesratsinitiative, die sein Ministerium gerade vorbereite, wolle er aufzeigen, "wo und wie es geht".

(APA/dpa)

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