Großbritannien: Kein Wohngeld für EU-Ausländer

Britain´s PM Cameron speaks during an interactive session with the students of the Indian Institute of Management Calcutta on the outskirts of Kolkata
Britain´s PM Cameron speaks during an interactive session with the students of the Indian Institute of Management Calcutta on the outskirts of Kolkata(c) REUTERS (RUPAK DE CHOWDHURI)
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Premier David Cameron kürzt als Vorbereitung auf das Ende der Arbeitsmarkt-Übergangsfrist für Rumänen und Bulgaren am 1. Jänner 2014 die Sozialleistungen für Nichtbriten.

Brüssel/London. „Am 1. Jänner werden Rumänen und Bulgaren Zugang zum britischen Arbeitsmarkt erhalten. Ich weiß, dass viele Menschen in Großbritannien darüber besorgt sind. Und ich teile ihre Sorgen.“ Mit diesen Worten stimmt David Cameron die Leser der „Financial Times“ auf die Gefahrenlage ein, in der sich die britischen Inseln seiner Ansicht nach befinden: Man sei am Vorabend eines südosteuropäischen Massenansturms auf Arbeitsplätze und Sozialleistungen in Großbritannien. Und als Antidot schlägt der Premierminister die Einführung von Hürden und Zugangsbeschränkungen vor, um möglichst viele potenzielle Migranten abzuschrecken.

So kündigt Cameron in seinem am Mittwoch erschienenen Gastbeitrag unter anderem an, dass arbeitslose EU-Ausländer in Zukunft erst nach einer dreimonatigen Frist und nur für die Dauer von maximal sechs Monaten Anspruch auf staatliche Unterstützung haben sollen. Für Neuankömmlinge gestrichen wird ferner das Wohngeld – sowie generell der Zugang zu Sozialleistungen, falls der Verdienst des EU-Ausländers unter einem (in dem Beitrag nicht definierten) Grenzwert liegt. Weiters geplant ist die Abschiebung von Personen ohne festen Wohnsitz samt einem zwölfmonatigen Einreiseverbot, sofern der Betroffene keinen legitimen Grund für die Einreise nachweisen kann. „Der freie Personenverkehr ist zwar eine der Grundfreiheiten der EU, aber es kann keine bedingungslose Freiheit sein“, schreibt Cameron, der das Thema Zuwanderung zum Kernelement der angestrebten Rückholung von Kompetenzen aus Brüssel machen will.

Zustimmung in Österreich?

Der britische Premier kann sich etwa die Einführung von national festgelegten Einreisequoten für EU-Ausländer vorstellen – eine Praxis, die es in der Schweiz gibt. Und er ortet Zustimmung in anderen EU-Hauptstädten: So würden etwa Österreich, Deutschland und die Niederlande zu ähnlichen Schlüssen kommen, so Cameron. Der Hinweis auf die Sympathisanten bezieht sich auf einen Brief, den die Innenminister der vier Länder im Frühjahr nach Brüssel geschickt haben – darin fordern sie Maßnahmen gegen „Sozialtourismus“ vor allem aus unterentwickelten Regionen Rumäniens und Bulgariens – gemeint ist der Zuzug von Personen ohne Aussicht auf Arbeit, aber mit der Absicht, Sozialleistungen des Gastlandes in Anspruch zu nehmen. Die Regierung in Wien stellte klar, dass dieses Problem Österreich gar nicht betreffe, man habe den Brief nur aus Solidarität unterzeichnet. Und die EU-Kommission ist mehr als skeptisch – weil keines der Länder bis dato konkrete Zahlen über das Ausmaß des angeblichen Problems vorlegen konnte, sondern lediglich Einzelbeispiele.

In Brüssel wird folglich immer wieder der Verdacht geäußert, Camerons Offensive sei nicht faktisch begründet, sondern ein innenpolitisches Manöver, um die Euroskeptiker in den eigenen Reihen zu besänftigen und der EU-feindlichen UK Independence Party das Wasser abzugraben. Insofern fiel die Reaktion auf den Vorschlag erwartungsgemäß aus: Erweiterungskommissar Laszlo Andor sprach gestern in einem BBC-Interview von „Hysterie“, während Justizkommissarin Viviane Reding die Personenfreizügigkeit in der EU als „nicht verhandelbar“ bezeichnete.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2013)

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