Gleichheitsgrundsatz: Deutsche Maut mit EU-Sprengstoff

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Union und SPD haben sich auf eine Abgabe für ausländische Autofahrer geeinigt. Brüssel wartet nun auf den Gesetzesentwurf.

Wien/Brüssel. Am Ende hat sich Horst Seehofer (CSU) durchgesetzt. Die umstrittene Pkw-Maut auf Deutschlands Straßen ist fix – darauf haben sich die künftigen Koalitionäre, CDU, CSU und SPD, in der Schlussphase der Verhandlungen geeinigt. Die Einführung der Abgabe ist an zwei Bedingungen geknüpft: Einerseits darf sie nur für ausländische Autofahrer gelten. Andererseits muss sie mit dem EU-Recht vereinbar sein. Wie diese beiden Punkte zusammengehen, ist derzeit noch Gegenstand von Diskussionen.

Der Plan ist, dass Inhaber von in Deutschland zugelassenen Pkw die Kosten der Maut durch eine Verringerung der Kfz-Steuer rückerstattet bekommen. Das Steuerrecht gehört zum engen Souveränitätsbereich der Mitgliedstaaten. Die Erhöhung oder Verringerung einer Abgabe obliegt also allein der jeweiligen Regierung. „Das Problem der Vereinbarkeit mit dem Gleichheitsgrundsatz der EU ergibt sich aber durch den politischen Zusammenhang der Mauteinführung mit der Steuersenkung“, erklärte Europarechtler Walter Obwexer jüngst in einem Gespräch mit der „Presse“. Dieser Zusammenhang sei eindeutig hergestellt.

Noch kein konkreter Vorschlag

Hält die neue deutsche Regierung also an ihrem Plan fest, sind Probleme mit der EU-Kommission programmiert. Jeder Frächter, jeder Autofahrer könnte gegen eine solche Diskriminierung klagen. Die Kommission wäre verpflichtet, ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten. Die Grundregeln des Binnenmarkts müssten eingehalten werden, heißt es dazu aus Brüssel. „Es ist nur eine Mautregelung vorstellbar, die EU-konform ist“, sagt Kommissar Johannes Hahn auf eine Frage der „Presse“. Er verweist allerdings darauf, dass es noch keine konkreten Pläne aus Berlin gebe. Auch Verkehrskommissar Siim Kallas will vor einer endgültigen Beurteilung die genauen Gesetzesvorschläge sehen.

Offensichtliche Tricks wird die Kommission jedenfalls nicht akzeptieren. Das heißt, wenn Deutschland zwar für alle Autobahnbenützer eine Maut einhebt, die Maut aber den eigenen Staatsbürgern über die Steuer vollkommen refundiert wird, würde auch das dem Gleichbehandlungsgrundsatz widersprechen. „Das ist eine mittelbare Diskriminierung“, erklärt die grüne Europaabgeordnete, Eva Lichtenberger, die sich im Verkehrsausschuss des Europaparlaments seit Jahren mit Mautfragen beschäftigt. Sie sieht allerdings nur einen klaren Bruch mit EU-Recht, wenn Deutschland die Maut, so wie es CSU-Chef Seehofer vorgeschlagen hatte, eins zu eins über Steuererleichterungen zurückerstattet. Demnach könnte Berlin damit durchkommen, wenn die Einführung der Maut lediglich mit einer mäßigen Senkung der Kraftfahrzeugsteuern einherginge. Lichtenberger warnt allerdings auch davor, dass das deutsche Beispiel Schule machen könnte. Jedes Land könnte dann seine eigene Bevölkerung wieder bevorzugen. „Wenn Deutschland die Maut einführen kann, wieso kann Österreich dann keine Studiengebühren für EU-Ausländer einführen?“, fragte sie vor Journalisten in Brüssel. Ebenso gut könne Italien dann auch Eintritt zu den Adria-Stränden nur für Ausländer fordern. Österreichs Infrastrukturministerin, Doris Bures, drohte Mittwochnachmittag gar mit dem Gang zum europäischen Gerichtshof: Eine Diskriminierung der österreichischen Autofahrer werde man „nicht zur Kenntnis nehmen“, sagte sie. Führe Deutschland eine Ausländermaut ein, sei das „EU-rechtswidrig“. Welche Schritte genau gesetzt werden, konnte Bures noch nicht sagen. Führe das Modell aber zu Diskriminierung, werde man alle Mittel ausschöpfen. Hierzulande zahlen In- und Ausländer für die Jahresvignette bisher 80,60 Euro, ab 2014 wird die Abgabe auf 82,70 Euro erhöht.

Lkw-Maut auf allen Straßen

Unabhängig von der Pkw-Maut für Ausländer will die neue deutsche Koalition die Abgabe für Lastwagen für alle deutlich ausweiten. Spediteure müssen für schwere Lastwagen ab zwölf Tonnen künftig auch für Fahrten auf allen Bundesstraßen zahlen. Die Mautsätze sollen erstmals durch die Berücksichtigung von Umweltschäden steigen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2013)

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