Schulz: "EU hat Lage in der Ukraine unterschätzt"

Selbstkritisch: EU-Parlamentspräsident Martin Schulz
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Der EU-Parlamentspräsident glaubt, dass mangelnde Hilfsbereitschaft in Brüssel die Abkehr der Ukraine von Europa begünstigt hat. Russland legte seiner Meinung nach ein Angebot, das die Ukraine nicht ablehnen konnte.

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz übte sich am Donnerstag in der raren politischen Disziplin der Selbstkritik: "Ich glaube, wir haben auch die Dramatik der innenpolitischen Situation in der Ukraine unterschätzt, sagte der deutsche Sozialdemokrat, der seit Anfang 2012 dem EU-Parlament vorsteht. Der Verzicht der Ukraine auf ein Assoziierungsabkommen mit der EU sei auch auf mangelnde Hilfsbereitschaft der EU zurückzuführen, meinte Schulz.

Die Ukraine sei "wirtschaftlich und vor allen Dingen finanziell in der tiefsten Krise" seit der Einführung der Demokratie. Die brauchen dringend Geld, die brauchen dringend sichereGasversorgung." Die Europäische Union sei nicht so stark wie Russland bereit gewesen, Kiew zu helfen. Die Ukraine bekomme aus Moskau kurzfristige Hilfe, wie sie die EU in dieser Form nicht hätte leisten können: "Das ist meiner Meinung nach einer der Gründe, warum die Regierung unter diesem enormen Druck sich dann am Ende für eine Kooperation mit Russland entschieden hat."

Angst vor neuem Gaskrieg

Die EU wollte auf ihrem Ostpartnerschafts-Gipfel, der an diesem Donnerstag und Freitag in der litauischen Hauptstadt Vilnius stattfindet, mit der Ukraine ein Assoziierungsabkommen schließen. Kiew verzichtete aber vergangene Woche darauf und will sich wieder stärker an Russland anlehnen. In der Ukraine fürchtete man vor allem auch, dass es wieder zu einem neuen "Gaskrieg" kommen könnte, dass also Moskau der Ukraine wie schon mehrmals in den vergangenen Jahren den Gashahn zudreht. In der EU sprach man deshalb kaum verhohlen von "Erpressung".

Ein weiterer Stolperstein war die inhaftierte ukrainische Oppositionsführerin Julia Timoschenko. Die EU hatte gefordert, dass die in der Haft schwer erkrankte Timoschenko zumindest zur medizinischen Behandlung ausreisen darf. Einem entsprechenden Gesetz hatte sich das ukrainische Parlament aber in der Vorwoche verweigert. Timoschenko rief die Bevölkerung aus dem Gefängnis heraus zu Massenprotesten gegen die Abkehr Kiews von Europa auf und trat gleichzeitig in einen Hungerstreik.

(APA/DPA)

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