Timoschenkos Innenminister, der erst kürzlich freigelassene Polithäftling Jurij Luzenko, vergleicht die heutigen Proteste mit der Orangen Revolution.
Die Presse: Sie gehörten 2004 zu den Hauptorganisatoren der Orangen Revolution. Damals waren nach wenigen Tagen über eine Million Bürger auf dem Majdan. Weshalb sind es heute nur noch ein paar Tausend?
Jurij Luzenko: Wir können Massenproteste nur noch am Wochenende organisieren. Die soziale Situation hat sich mit der Wirtschaftskrise derart verschlechtert, dass es sich die meisten Ukrainer schlichtweg nicht leisten können, unter der Woche zu demonstrieren. Am Sonntag aber waren wir 100.000.
Doch der EU-Gipfel in Vilnius ist am Freitagmorgen, einem Arbeitstag.
Was bleibt uns anderes übrig? Wir müssen alles versuchen, denn ohne EU-Assoziation werden wir in der Ukraine keine freien Wahlen mehr haben. Dann sind wir Janukowitsch auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.
Regierungschef Asarow hat behauptet, der EU-Assoziationsvertrag könne bereits im Frühling 2014 unterschriftsreif sein. Hilft eine solche Verzögerung – wenn sich die EU darauf einlässt – auch der Opposition?
Erwähnen Sie mir bloß Asarow nicht! Ich bin kein Politologe, sondern ein Oppositioneller, ein Demokrat.
Aber als Oppositioneller können Sie von den Fehlern der Regierung profitieren, oder nicht?
Jeder Aufschub, jede zweite Chance hilft uns proeuropäischen Ukrainern. Würde die EU auf die Aufschubgesuche Asarows eingehen, wäre das immerhin etwas. Wir aber müssen die Massen auf die Plätze bringen. Seit der Orangen Revolution weiß ich, dass das Volk die Geschicke der Ukraine wenden kann. Wir sind nicht machtlos! Und wir dürfen eines nicht vergessen: Heute geht es um mehr als den Machtwechsel, dies ist die Wahl der Ukraine zwischen Europa und Russland.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.11.2013)