Pleite Kärntens wäre für Bund billiger als Hypo-Rettung

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Muss der Bund im Fall einer Pleite Kärntens einspringen? Die Frage ist ein politisches Tabu. Für einen namhaften Juristen ist die Antwort Nein.

Wien. Bis Jahresende braucht die Hypo Alpe Adria noch einmal 1,05 Milliarden Euro. Die EU-Kommission gewährte für das Institut einen staatlichen Beihilfenrahmen von bis zu 11,7 Milliarden Euro. Politiker behaupten, dass die Hypo wegen der Haftungen des Landes Kärnten nicht pleitegehen kann. Denn Kärnten steht noch immer für Hypo-Anleihen von über 13 Milliarden Euro, die in den nächsten Jahren fällig werden, gerade. Daher müsse im Notfall der Bund einspringen, um die Forderungen der Anleiheninhaber zu bedienen. So lautet zumindest die gängige Argumentation.

Laut Juristen kann der Bund aber weder durch die österreichische Verfassung noch durch das EU-Recht oder das Völkerrecht gezwungen werden, die Haftungen für die Schulden eines Bundeslandes zu übernehmen. Damit käme für den Bund eine Pleite Kärntens möglicherweise billiger als eine Hypo-Rettung. In Österreich wird eine solche Option nicht geprüft, weil wegen der Macht der Landeshauptmänner eine Pleite eines Bundeslandes nicht durchsetzbar ist. Es liegen dazu auch keine Berechnungen vor.

Bund: Keine Kontrollmöglichkeiten

Laut dem Wiener Universitätsprofessor Robert Rebhahn gibt es nicht einmal in der österreichischen Verfassung klare Regeln, wie bei einer finanziellen Krise eines Bundeslandes vorzugehen ist. In Deutschland dagegen hat der Gesetzgeber eine Insolvenzfähigkeit der Bundesländer ausgeschlossen. „In Österreich fehlen aber der Wille und die Fähigkeit, den Föderalismus in Finanzfragen ordentlich zu regeln“, so Rebhahn zur „Presse“.

Daher können die Bundesländer und deren Gläubiger unbegrenzt Risken eingehen: „Die Verfassung sieht so gut wie keine Möglichkeiten des Bundes vor, ein Bundesland in Bezug auf finanzielle Sorglosigkeit effektiv zu kontrollieren.“

Das bedeutet im Klartext: Kann Kärnten die Hypo-Anleihen nicht tilgen, gibt es keine Pflicht des Gesamtstaates, hier einzuspringen. Die Inhaber der Hypo-Anleihen, überwiegend institutionelle Investoren, müssten dann versuchen, ihr Geld von Kärnten auf dem Klagsweg zu bekommen. Sie gehen dabei wegen der fehlenden Regeln ein Risiko ein. Die einzige Maßnahme, die das österreichische Recht erlaubt, ist die Zwangsvollstreckung gegen ein Bundesland. Doch Kärnten verfügt nur über ein relativ kleines exekutionsunterworfenes Vermögen und kann daher unmöglich für alle Hypo-Schulden geradestehen. Die Investoren würden auf dem Exekutionsweg einen geringen Teil ihres Investments zurückbekommen. Ein Ausweg besteht darin, mit den Gläubigern über einen freiwilligen Forderungsverzicht zu verhandeln. Auch in Griechenland verzichteten Gläubiger auf einen Teil ihrer Forderungen.

In Deutschland und in den USA haftet der Gesamtstaat nicht für Anleihen der Bundesländer oder der Bundesstaaten. Auch in Österreich müsse der Bund nicht für Kärnten einspringen, sagt Rebhahn. Denn es sei „entscheidend, dass die Gläubiger ihr Geld bewusst nur einem Gliedstaat geliehen haben. Hätten sie die Haftungen des Bundes gewünscht, so hätten sie diese zur Bedingung der Kreditgewährung machen können.“

Exekution gegen

Kärnten ist möglich

Was passiert aber, wenn ein Bundesland seinen finanziellen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen kann? Laut Rebhahn ist es möglich, gegen Bund, Länder und Gemeinden wegen privatrechtlicher Geldforderungen Exekution zu führen.

Speziell zu Gemeinden gibt es in der Exekutionsordnung einen Paragrafen, wonach nur jene Vermögensgegenstände der Vollstreckung unterworfen sind, die nicht für die Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben notwendig sind. Nicht geklärt ist, ob auch bestimmte Einrichtungen der Länder wie beispielsweise Krankenanstalten von einer Exekution ausgenommen sind.

Ein weiteres Problem für Juristen ist, dass es in der österreichischen Verfassung keine Definition gibt, ab wann ein Bundesland überschuldet ist. Ähnlich wie in Deutschland geht Rebhahn davon aus, dass auch die österreichische Insolvenzordnung nicht auf Bundesländer angewendet werden kann. Denn die Insolvenzordnung sieht die Verwaltung des Schuldnervermögens unter Aufsicht des Gerichts und durch einen Insolvenzverwalter vor. Eine Insolvenz muss bei einem Landesgericht angemeldet werden. Das würde zur absurden Situation führen, dass etwa das Landesgericht Klagenfurt über die Insolvenz von Kärnten entscheiden müsste.

Waren Hypo-Haftungen verfassungskonform?

Außerdem liegt laut Insolvenzordnung eine Überschuldung nicht vor, wenn eine positive Fortbestandsprognose möglich ist. Laut der österreichischen Verfassung gibt es aber eine Bestandsgarantie für alle neun Bundesländer. Im Gegensatz zu Rebhahn gibt es aber Juristen, welche die Möglichkeit eines Insolvenzverfahrens über ein Bundesland bejahen. „Doch auch das würde die Masse der exekutionsunterworfenen Vermögensgegenstände nicht vergrößern“, so Rebhahn. Seiner Ansicht nach sollte man auch fragen, ob die Übernahme einer betragsmäßig unbeschränkten Haftung für künftige Verbindlichkeiten durch ein Bundesland – wie das Land Kärnten sie für die Hypo übernommen hat – verfassungsrechtlich überhaupt zulässig war.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.11.2013)

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