Italiens rechtskräftig verurteilter Ex-Premier will seine Immunität zurück. Da er daheim sechs Jahre lang nicht mehr bei Wahlen antreten darf, könnte er das EU-Parlament für seine Zwecke einspannen.
Wer vor Tagen das Ende der Ära Berlusconi ausrief, als der italienische Senat den Ex-Premier ausschloss, könnte sich bald getäuscht sehen: Offenbar liebäugelt Berlusconi damit, für das EU-Parlament zu kandieren. Daheim darf er wegen seiner rechtskräftigen Verurteilung zwar sechs Jahre lang nicht mehr bei Wahlen antreten, doch in jedem anderen EU-Land könnte ihm eine Kandidatur nicht verwehrt werden. Auf diesem Weg will der Medienunternehmer seine parlamentarische Immunität zurückgewinnen
Estnischer Geschäftsfreund könnte helfen
Über derartige Pläne war schon früher spekuliert worden (die "Presse" berichtete), doch nun konkretisieren sich diese Pläne offenbar, italienischen Medien zu Folge. Im Auge hat Berlusconi offenbar Estland. Dort könnte er mit Hilfe des befreundeten Geschäftsmannes Ernesto Preatoni eine Kandidatur in Estland einreichen. Preatoni unterhält in Estland eine Zentrale für sein Immobilien-Imperium Domina und ist in der Touristikbranche aktiv. Laut Berlusconis Vertrauten wäre es für Preatoni „ein Kinderspiel" eine Wahlliste aufzubauen und die Kandidatur des Medienunternehmers für das EU-Parlament einzureichen.
Eine Kandidatur in einem baltischen Land wäre für einen Italiener nicht präzedenzlos. Der italienische Starjournalist Giulietto Chiesa hatte 2009 in Lettland für die EU-Parlamentswahlen im Rahmen der Liste „Für die Menschenrechte in einem vereinten Lettland" kandidiert. Dabei handelt es sich um eine Wahlliste der russischen Minderheit in Lettland. Chiesa verfehlte den Sprung ins Parlament, da die Wahlliste nur eine einzige Abgeordneten nach Straßburg entsandte.
Neuer Prozess wegen Zeugenbestechung
Indes droht Berlusconi in Italien ein weiterer Prozess
wegen Zeugenbestechung. Berlusconi soll nach Ansicht eines Mailänder Gerichts im "Ruby"-Prozess um Sex mit minderjährigen Prostituierten mehrere Zeugen bestochen haben. Der 77-Jährige war in dem Verfahren im Juni in erster Instanz zu sieben Jahren Haft verurteilt worden.
Die Staatsanwälte gehen davon aus, dass mehrere Zeuginnen, die sich an Partys in seiner Luxusresidenz beteiligt hatten, der Verteidigung vor Gericht gelogen haben, weil sie von Berlusconi "Monatsgehälter" bis zu 3.000 Euro für ihr Schweigen über ausschweifende Partys in der Mailänder Residenz des Medienunternehmers erhielten. Die Antworten der Zeuginnen vor Gericht seien beim Ruby-Prozess oft identisch gewesen, erklärte das Gericht in einem Schreiben.
(APA)