„Der Exodus der Realwirtschaft hat längst eingesetzt"

Voest-Vorstandschef Wolfgang Eder, WU-Vizerektorin Barbara Sporn, WU-Professor Jonas Puck und „Presse“-Chefredakteur Rainer Nowak
Voest-Vorstandschef Wolfgang Eder, WU-Vizerektorin Barbara Sporn, WU-Professor Jonas Puck und „Presse“-Chefredakteur Rainer Nowak(c) Fabry
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Standort. Österreich sei zu teuer geworden, kritisiert Voest-Chef Wolfgang Eder. Man wisse aber, was man an den fleißigen Mitarbeitern habe.

Wien. Er drohe nicht, sondern sei getrieben von den Fakten, sagte Voest-Vorstand Wolfgang Eder zur jüngsten Auslandsexpansion des Stahlbetriebs in die USA. Die Voest baut für 550 Millionen Euro ein Stahlwerk in Texas. So spare man Kosten und könne sich leisten, den Standort Österreich langfristig zu erhalten, sagte Eder am Mittwochabend bei einer Diskussionsveranstaltung an der Wiener Wirtschaftsuniversität. „Dieses Land ist generell zu teuer geworden. Gas ist in Österreich dreimal so teuer wie in den USA." Für Unternehmen sei es unter diesen Voraussetzungen immer schwieriger, wettbewerbsfähig zu bleiben, so Eder.

Beim Thema „Standort" fällt den meisten heimischen Industrievertretern eine lange Liste an Mängeln ein. Dazu zählen nicht nur hohe Steuern und Energiekosten, sondern auch die Haltung der Österreicher gegenüber Börsen und Aktien. „Der Kapitalmarkt ist in Österreich ein Bereich, der von vielen als frivol gesehen wird. Das trifft uns als Unternehmen sehr." Die Voest müsse an der Börse Wien notieren. Ginge man etwa nach Frankfurt oder New York, so sei die Gefahr groß, dass man unter „ferner liefen" verschwinde. Das ist jüngst der Constantia Flex passiert.

„Der Exodus der Realwirtschaft aus Europa hat längst eingesetzt", so Eder. Um 2000 habe der Anteil der Industrie am EU-Bruttoinlandsprodukt noch 18 Prozent betragen, 2011 noch 15,5 und heuer nur noch zwölf Prozent. Aber er sieht Österreich als Industrieplatz nicht nur kritisch. „Eine derart gut ausgebildete Mitarbeiterschaft mit so viel Engagement findet man sonst nirgendwo." Daher wolle man „alles tun, um so lange wie möglich in Österreich zu bleiben".

Jonas Puck, Leiter des Departments Welthandel an der WU Wien, findet den beschriebenen Trend nicht so schlimm. Es gehe nicht darum, wie hoch der absolute Anteil der Industrie am Bruttoinlandsprodukt sei, sondern darum, wie hoch er im Vergleich zu anderen sei. „Ich sehe die zwölf Prozent nicht so dramatisch. So lange wir mehr haben als die anderen."

Puck will die Debatte über den Standort anders führen. Er hält es für gefährlich, dass es in der Diskussion immer nur um die Kosten geht. „Kein österreichisches Unternehmen ist deshalb Weltmarktführer, weil es das kostengünstigste ist. Der Erfolg liegt an der hohen Spezialisierung", so Puck. Deshalb müsse man nicht in erster Linie „klassische Standortbedingungen" optimieren. Besser, man helfe Firmen, sich in internationale Wertschöpfungsketten zu integrieren und von der Weltwirtschaft zu profitieren. „Es geht nicht nur um Low Price, sondern darum, die Qualität zu erhöhen und in die Bereiche zu investieren, in denen man schon stark ist." So findet es der Berliner, der schon in Australien und China gelebt und gelehrt hat, „interessant, dass ein Land, das nur von Wissen leben kann, weniger in Bildung investiert als andere".

„Es fehlt der Sense of Urgency"

In diesem Punkt hat Puck den Voest-Chef an seiner Seite. „Es sieht nicht wirklich gut aus in den zukunftsträchtigen Bereichen", sagt Eder. Es gebe einen Braindrain aus Österreich. „Jeder achte Hochqualifizierte verlässt das Land." Auch, weil sie sich nicht mehr fair behandelt fühlten, so Eder mit Blick auf die hohe Steuerquote. Er kritisiert auch, dass die Jungen, die die Auswirkungen der heutigen Entscheidungen zu tragen hätten, nicht an der politischen Debatte beteiligt seien. Wie etwa an der Diskussion über das Lehrerdienstrecht. „Sie haben keine Lobby", so Eder.

Auf die Frage aus dem Publikum, warum kein Ruck durch die Gesellschaft gehe, sagt Eder: „In Österreich fehlt der Sense of Urgency." Er selbst habe diesen entwickelt, nachdem die Voest 1985 pleite war. „Dieser Kampf um die Sanierung hat mich geprägt. Und ich habe mir gedacht: Noch einmal passiert mir das nicht." Die Politik habe das nie lernen müssen, weil sie sich bis jetzt in Österreich immer „durchgeschummelt" habe. Ohne Notsituation werde man keine Regierung dazu bringen, ihr System auf einen modernen Stand zu bringen. „Das wäre politischer Selbstmord. Man sieht das im Kleinen in der Steiermark." (hie)

("Die Presse", Print-Ausgabe vom 30.11.2013)

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