Säuberung: Wie Diktator Kim seine Macht zementiert

Eiskalte Machtpolitik: Nordkoreas Diktator Kim Jong-un
Eiskalte Machtpolitik: Nordkoreas Diktator Kim Jong-unREUTERS
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Kim Jong-un hat offenbar seinen einflussreichen Onkel - die graue Eminenz des Landes - entmachtet. Es könnten radikale Veränderungen folgen.

Stimmen die Gerüchte, zeichnet sich im abgeschottetsten Land der Welt eine radikale Machtverschiebung ab: Nordkoreas Diktator, Kim Jong-un, soll die graue Eminenz im stalinistischen Regime, seinen Onkel Jang Sung-taek, „beseitigt" haben, melden südkoreanische Medien. Die Indizien dafür: Zwei enge Gefolgsleute Jangs seien Mitte November wegen Korruption hingerichtet worden, so die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap unter Berufung auf den Geheimdienst NIS. Seitdem sei Jang verschwunden.

Kims Onkel war Vize-Chef der einflussreichen Nationalen Verteidigungskommission, des wichtigsten Entscheidungsgremiums des Landes. Tatsächlich scheint er noch weitaus mächtiger gewesen zu sein: Jang galt als Kims Mentor. Er soll im Hintergrund die Fäden gezogen haben, seit der nicht einmal 30-Jährige die Nachfolge seines 2011 verstorbenen Vaters Kim Jong-il übernommen hat. Der 67-Jährige ist auf Fotos an der Seite des jungen Diktators zu sehen - beim Begräbnis Kim Jong-ils stand er hinter seinem Neffen. Und von dieser womöglich allzu übermächtigen Vaterfigur soll sich der Machthaber nun befreit haben.

In Ungnade gefallen

Jang gehörte zur alten Garde: Seit den 1970er-Jahren kämpfte er sich durch das Machtgefüge der KP und schaffte es, 1992 in das Zentralkomitee gewählt zu werden. Der eigentliche Karrieresprung erfolgte allerdings Jahre zuvor, als er Kim Jong-ils Schwester heiratete. Die beiden sollen sich an der Uni kennengelernt haben. Angeblich war Diktatoren-Vater Kim Il-sung nicht begeistert von dieser Liaison.

Und das war übrigens nicht das einzige Mal, dass sich der ehrgeizige Jang durchsetzte: Bereits 2004 fiel er aus unbekannten Gründen in Ungnade und verschwand zwei Jahre von der Bildfläche. Danach rehabilitierte Kim Jong-il ihn aber offenbar und vertraute ihm zentrale Aufgaben an. Er soll die Geschäfte in Nordkorea geführt haben, als Kim Jong-il wegen eines Schlaganfalls als stark geschwächt galt.

"Jetzt hat Kim freie Hand"

Sollte Jang tatsächlich entmachtet worden sein, wäre dies die radikalste interne Veränderung seit der Machtübernahme Kim Jong-uns vor zwei Jahren: „Jang ist der Prinzregent gewesen", sagt Hanns-Günther Hilpert von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin zur Nachrichtenagentur DPA. „Wenn er jetzt von seinem Amt entfernt wurde, hat Kim freie Hand."Diese Emanzipation von einflussreichen Figuren aus der Ära seines Vaters scheint eine langfristig angelegte Strategie Kims zu sein. Im Sommer 2012 feuerte der erst seit Kurzem herrschend Diktator überraschend den mächtigen Armeechef Ri Yong-ho. Auch Ri war enger Vertrauter Kim Jong-ils.

Offen ist, welche Folgen diese angeblichen Machtverschiebungen für Nordkorea haben könnten. Jang galt als sehr China-nahe. Er war es, der 2012 den damaligen chinesischen Präsidenten, Hu Jintao, traf. Und er soll sich für Wirtschaftsreformen nach chinesischem Vorbild eingesetzt haben. Seit Nordkorea im Februar seinen dritten Atomtest durchgeführt hat, sind die Beziehungen zum mächtigen - und einzigen - Alliierten China abgekühlt. Dass Peking UN-Sanktionen gegen Pjöngjang zugestimmt hat, soll Kim Jong-un verärgert haben. Und in China ist man zunehmend irritiert über den rebellischen kleinen Nachbarn.

Sogar Handys sind nicht mehr verboten

„Nordkorea will weg von der Abhängigkeit Chinas", sagt Lars-Anders Richter von der Friedrich-Naumann-Stiftung in Seoul. Er glaubt aber, dass es unter Kim zu Wirtschaftsöffnungen kommen könnte - vermutlich in Form von neuen Sonderwirtschaftszonen.
Nordkorea-Experte Rüdiger Frank von der Universität Wien hingegen ist vorsichtiger. Er will gegenüber der „Presse" die Gerüchte rund um Jangs Entmachtung nicht kommentieren. Er sieht allerdings Anzeichen für Veränderungen in Kim Jong-uns Nordkorea: „Wenn ich jetzt dort bin, darf ich mein Handy verwenden und sogar fotografieren, das war früher nicht möglich. Und die Menschen sind besser gekleidet, es gibt mehr Verkaufseinrichtungen und Taxis."

Auch der Stil Kims sei „offener" als jener seiner Vorgänger. Frank geht von einer „vorsichtigen, graduellen Veränderung" aus. Allerdings glaubt er auch, dass Nordkorea weiterhin die internationale Gemeinschaft mit seinem Atomprogramm - „ein Druckmittel" - provozieren wird: „Es wird wieder zu einer kleinen Eskalation kommen."

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