Ukraine: Klitschkos Schlag ging ins Leere

UKRAINE: Vitali Klitschko
UKRAINE: Vitali Klitschko(c) EPA (ALEXEY FURMAN)
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Die Opposition scheiterte mit ihrem Versuch, die Regierung per Misstrauensantrag zu stürzen. Vorerst gelang es ihr also nicht, die Massenproteste in konkrete Erfolge umzumünzen.

Box-Champion Vitali Klitschko wollte zum großen Schlag gegen den ukrainischen Präsident Wiktor Janukowitsch und dessen Regierung ausholen – doch der Angriff ging ins Leere. Die Opposition, als deren Wortführer sich der 42-Jährige präsentiert, hatte einen Misstrauensantrag gegen Premier Mikola Asarow eingebracht, den Statthalter von Janukowitsch an der Regierungsspitze.

Die Abstimmung am Dienstag war mit Spannung erwartet worden, da einige Abgeordnete des Regierungslagers dem Vernehmen nach mit der Opposition stimmen wollten – doch fand sie letztlich gar nicht statt. Die Regierungsmehrheit verhinderte, dass die Vertrauensfrage überhaupt angesetzt wurde. Der Präsident dürfte um seinen Getreuen ohnehin nicht besonders gebangt haben, denn während Asarow im Parlament seine Verteidigungsrede schwang, war Janukowitsch bereits auf dem Weg nach China (wo er bis Ende der Woche nach den russischen auch chinesische Geldquellen anzapfen will) und überließ sein Land dem Chaos.

Die Massenproteste gegen die Abkehr der Ukraine von der EU gingen auch am Dienstag weiter, tausende Menschen demonstrierten vor dem Parlament in Kiew, das von Alarm-Abteilungen der Polizei schwer gesichert wurde. Während die Demonstranten draußen brüllten, brüllte drinnen die Opposition gegen Asarow. Der schlug zwar auch versöhnliche Töne an, indem er sich für die brutalen Polizeieinsätze der vergangenen Tage – es gab Dutzende verletzte Demonstranten – entschuldigte. In der Sache blieb er hart: Eine Neuauflage der „Revolution in Orange“ von 2004 dürfe es nicht geben. Tags zuvor hatte er die Opposition in die Nähe eines Staatsstreiches gerückt.

„Pogrom, nicht Revolution“

In eine ähnliche Kerbe hatte auch Russland Präsident Wladimir Putin geschlagen. Der warf der Opposition vor, es gehe ihr nur darum, die legitime Regierung aus dem Amt zu jagen, und meinte, das Ganze erinnere ihn eher „an ein Pogrom als an eine Revolution“.

Mit einem hat Putin wohl recht: Die Opposition denkt schon an die Präsidentenwahl 2015, ihre nächste Gelegenheit, das Machtgefüge zu verändern, falls es keine vorgezogene Parlamentswahl gibt.

Die unter russischem Druck erfolgte Entscheidung der Ukraine, die Annäherung an die EU zu stoppen, war jedenfalls ein unverhofftes Geschenk für die heterogene Opposition, die – hier gibt es tatsächlich eine Parallele zu 2004 – wenig mehr eint als die Gegnerschaft zu Janukowitsch. Die große Chance für diese Opposition wäre die Parlamentswahl 2012 gewesen. Doch das Bündnis „Vaterland“ (vulgo: Block Timoschenko), Klitschkos Partei „Udar“ (Schlag) sowie die Ultranationalisten von der Freiheitspartei rund um den Antisemiten Oleg Tjagnibok erreichten in Summe nur so viele Stimmen wie Janukowitschs Partei der Regionen, die auf die Kommunisten und einige sogenannte „Unabhängige“ zählen kann.

Wer hat längeren Atem?

Schwerlich hätte diese Opposition über mittlerweile bald zwei Wochen so viele Menschen auf die Straße bekommen, am Sonntag waren es in Kiew Hunderttausende. Klitschko, Timoschenkos Vertrauter Arsenij Jazenjuk und Nationalist Tjagnibok, der immer zur Stelle ist, wenn es gegen Russland geht, haben beherzt zugegriffen, als sich ihnen die Möglichkeit bot. Schon am ersten Abend, als sich rund 2000 Menschen auf dem Majdan versammelten, war Klitschko dort und gab die Marschrichtung vor: Die Regierung müsse weg.

Nun versucht die Opposition, den Schwung der Massenproteste mitzunehmen und in konkrete Erfolge umzumünzen. Der erste Versuch im Parlament ist nun gescheitert, Klitschko und Co. müssen also weiter auf den Druck der Straße setzen. Die Frage ist, wie lange sie ihn aufrechterhalten können. (hd)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.12.2013)

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