Die Nationalversammlung hat in erster Lesung einem Gesetz zugestimmt, das nach dem Vorbild von Schweden potenzielle Kunden von Prostituierten mit Geldstrafen abschrecken soll.
Paris. Kaum ein Gesetz hat in Frankreich in den vergangenen Jahren die Wogen so hochgehen lassen: Am Mittwoch hat die Nationalversammlung in erster Lesung ein Verbot von käuflichem Sex beschlossen. Wer künftig Prostituierte aufsucht, muss mit einer Strafe rechnen. Das Gesetz soll potenzielle Kunden abschrecken. Bezahlter Sex wird – für die Freier – zu einem Delikt, das mit 1500 Euro Geldbuße und im Wiederholungsfall mit bis zu 3700 Euro bestraft werden kann. Das Gesetz sieht als Alternative vor, dass sich von der Polizei in flagranti ertappte Klienten in einem Kurs über die Lebensrealitäten der Prostituierten informieren lassen.
Umstritten war vor allem, dass den illegal aus Afrika, China und Osteuropa eingereisten Prostituierten nach sechsmonatiger Tätigkeit mit einer Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung der Ausstieg aus dem Sexgewerbe erleichtert werden soll. Die Opposition sieht darin einen Anreiz für Immigration. Um in Kraft treten zu können, braucht das Gesetz noch die Billigung des Senats.
Prostitution ist in Frankreich weder als illegale noch als berufliche Aktivität gesetzlich anerkannt. Nach dem Zweiten Weltkrieg sind aber die Bordelle geschlossen worden, und jede Form der Zuhälterei wird streng geahndet. Das hatte jedoch nicht einmal zu einem spürbaren Rückgang der Prostitution geführt, wie ein neues Gesetz unter Präsident Nicolas Sarkozy, das passive und aktive Kundenanwerbung auf dem Straßenstrich für strafbar erklärte. Laut Hilfsorganisationen wurden die Sexarbeiterinnen nur vermehrt in den Untergrund getrieben, wo sie erst recht der Gewalt skrupelloser Freier und ihrer Zuhälter ausgesetzt waren. Wegen dieser kontraproduktiven Effekte wurde das Gesetz jetzt aufgehoben.
Auch unter Feministen umstritten
Mit der Kriminalisierung der Kunden verfolgt der Gesetzgeber nun eine andere Logik: Statt des Angebots wird die Nachfrage attackiert. Das wurde zuerst in Schweden und danach in anderen skandinavischen Ländern bereits mit einigem Erfolg versucht.
Die Fronten in der seit Wochen erbittert geführten Debatte gehen quer durch die politischen Parteien und selbst die Vereine zum Schutz der Prostituierten. Feministische Organisationen wie „Osez le féminisme“ haben vor dem Parlament für das neue Prostitutionsgesetz demonstriert. Es gab aber auch prominente feministische Stimmen, die wie beispielsweise die Philosophin Elisabeth Badinter dagegen sind, weil eine solche Form der Prohibition das Recht der Frauen, frei über ihren Körper zu verfügen, infrage stelle.
In Frankreich ist der Griff zum gesetzlichen Verbot fast immer ein Reflex. In einer anderen Frage, im Kampf gegen Drogen, haben sich die Prohibition und Kriminalisierung des Konsums in Frankreich als weitgehend nutzlos oder gar kontraproduktiv erwiesen.
Weitere Infos:www.diepresse.com/prostitution
("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.12.2013)