Warum nicht ein Kreuz ohne den Gekreuzigten?

Es gibt eine Lösung für das Kruzifix-Problem.

Nein, ein Kruzifix ist kein harmloses Symbol. Es zeigt einen zu Tode gefolterten Menschen, in dem die Christen Gott sehen. Dass das ein Skandalon, ein Ärgernis, sein kann, das wusste schon Paulus. Es wirkt heute noch so. Darüber können sich Christen freuen. Und es ist auch verständlich, dass sie weiterhin ihre Zeichen im öffentlichen Raum setzen wollen, schließlich ist unsere Kultur christlich geprägt und wird es noch lange bleiben. Zu unserem Sonntag gehört das Glockenläuten.

Gehört auch das Kruzifix in die Klassenzimmer? Der Streit flackert seit vielen Jahren immer wieder auf: Andersgläubige und Nichtgläubige fühlen sich provoziert, manche Eltern erklären gar, die grausame Darstellung sei ihren Kindern nicht zumutbar. Man sollte darüber nicht spotten: Wie gesagt, eine Kreuzigung war kein harmloser symbolischer Akt.

Zum Glück – oder, wie zumindest Gläubige aller monotheistischen Religionen gemeinsam sagen können: Gott sei Dank – bietet sich ein für alle erträglicher Kompromiss: Die Christen begnügen sich in öffentlichen Schulen mit Kreuzen ohne Gekreuzigten. Für sie ist das Symbol gültig, sie wissen, was für sie gemeint ist. Und Nichtchristen können bei etwas gutem Willen auch damit leben: Das Kreuz ist auch ohne christlichen Konnex ein altes, würdiges Symbol, es verbindet Vertikale und Horizontale, Himmel und Erde, als Koordinatensystem regiert es die Geometrie. So kann, so soll man es getrost hängen lassen.

thomas.kramar@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.12.2013)

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