Österreich: Bund sagt prinzipiell Ja, Länder zuweilen Nein

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die Prostitution wird auf Bundes- und Landesebene geregelt. Frauenministerin Heinisch-Hosek will das ändern. Experten lehnen ein allgemeines Prostitutionsverbot ab.

Wien. Gelegentlich bekommt die kleine Stadt Hohenems in Vorarlberg einen Spitznamen verpasst, der im Grunde eine ganze Debatte auf den Punkt bringt: Bordellems. Dabei gibt es in Hohenems – wie in ganz Vorarlberg – kein legales Bordell, obwohl Prostitution nicht verboten ist.

Von einem De-facto-Verbot ist die Rede. Schätzungsweise werden bis zu 100 geheime Bordelle in Vorarlberg betrieben. Und: Seit über zwei Jahren führt ein Mann, der offiziell ein Bordell in Hohenems betreiben will, eine Fehde mit Behörden und Anrainern. Erst im November hob der Verfassungsgerichtshof einen Bescheid der Vorarlberger auf, wonach der Betrieb eines Bordells in Hohenems untersagt wurde. Die Bezirkshauptmannschaft argumentierte – mit Verweis auf das Vorarlberger Sittenpolizeigesetz – damit, dass mit dem Bordell auch „Störungen“ (etwa Straßenstrich) einhergehen würden. Für den Verfassungsgerichtshof hingegen ist illegale Sexarbeit auch eine „Störung“.

In Wien sieht die Lage ganz anders aus. Seit November 2011 gilt ein neues Gesetz, wonach Straßenprostitution auf zwei erlaubte Zonen, am Rande der Autobahn in Auhof sowie auf einen Teil der Brunner Straße, beschränkt wurde. Alles Weitere passiert indoor. Es ist europäischer Trend, sagen Experten, dass die Straßenprostitution immer mehr in Gebäude verlagert wird, um sie von Wohngebieten zu entkoppeln, aber auch, um sie von der sichtbaren Fläche zu entfernen. Die Meinungen darüber sind geteilt. Sexarbeiter (wobei die allermeisten Betroffenen Frauen sind) und deren Kunden könnten dadurch besser kontrolliert und geschützt werden, sagen die einen. Sexarbeiter seien dadurch der Willkür der Bordellbetreiber unterworfen und könnten nicht mehr selbstbestimmt arbeiten, sagen die anderen. Auf der Straße könne die Frau entscheiden, wann sie die Arbeit beginne und beende, sagt Renate Blum von der Wiener Beratungsstelle Lefö.

Zwei Bundesländer, ein Problem: Prostitution in Österreich. Sie ist grundsätzlich erlaubt, wobei die Gesetzeslage zweigleisig verläuft. Der Bund regelt etwa, dass Sexarbeiter versichert werden und regelmäßig zu Gesundheitstests erscheinen müssen. Die Länder regeln die Logistik: Bordell, Straßenprostitution – oder keines von beiden. Sozialarbeiter und Betroffene plädieren zwar dafür, dass Sexarbeit bundeseinheitlich geregelt werden soll, sind aber vorsichtig in ihrer Argumentation: Wenn der Trend im Bund in die Richtung gehe, „dass es zu restriktiveren Regeln kommt, wie zum Beispiel in Vorarlberg, wäre es kontraproduktiv“, sagt Eva van Rahden von der Volkshilfe Wien und dem „Sophie-Bildungsraum für Prostituierte“. Ein bundesweites Gesetz würde die Situation der Betroffenen verbessern, sagt Renate Blum, „dadurch könnten Gemeinden ganz anders unter Druck gesetzt werden“. Ein Beispiel wäre Hohenems.

Ein allgemeines Prostitutionsverbot lehnen Experten jedenfalls ab, zumal dadurch der Illegalität – Stichwort: Menschenhandel– Tür und Tor geöffnet werde. In Österreich werde gemeinhin akzeptiert, sagt van Rahden, dass sexuelle Dienstleistungen nun einmal stattfinden. Erst vor rund eineinhalb Jahren ist mit einem Bescheid des Obersten Gerichtshofs (OGH) die Sittenwidrigkeit der Prostitution gefallen. Seitdem sind Sexarbeiter als Neue Selbstständige tätig, seitdem können sie auch ihren Lohn – die Verträge sind meist mündlich, beinhalten Dauer, Praktiken usw. – einklagen. Konkret hat sich das kaum auf die Betroffenen ausgewirkt, heißt es aus den Betreuungsstellen – zumal es nicht ganz klar ist, welche weiteren Konsequenzen der Bescheid haben könnte. Das soll sich nun ändern.

Wer ist der Freier, wer der Arbeitgeber?

Für Sexarbeiter soll es künftig Verbesserungen bei der sozialen Absicherung und Änderungen bei den Gesundenuntersuchungen geben – das ist jedenfalls das Ziel eines Maßnahmenpakets von Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ), das im Rahmen des Nationalen Aktionsplans gegen Menschenhandel erarbeitet wird. „Der Schutz der Frauen ist mir das Wichtigste“, sagt die Ministerin. Dabei soll es zu Änderungen im Arbeits- und Sozialrecht kommen. Es solle weiters ein „Arbeitsverhältnis in einer sehr differenzierten Form“ geschaffen werden, das sich auch von den Arbeitsverträgen anderer Arbeitnehmer unterscheide, wie Heinisch-Hosek betont. Dass es bisher nicht dazu gekommen sei, scheiterte nicht am Frauenministerium, versichert sie.

In dem für das Arbeitsrecht zuständigen Sozialministerium wird in diesem Zusammenhang vor allem ein Problem gesehen: Bei einer neuen Form eines „Arbeitsverhältnisses“ sei nicht klar, wer der Arbeitgeber sei, der Zuhälter oder der Freier.

Die Ministerin peilt auch eine bundesweite Vereinheitlichung der Bestimmungen an, zudem soll es bei den Gesundenuntersuchungen Vereinfachungen geben: Statt einmal wöchentlich sollen die Sexarbeiter alle zwei Wochen erscheinen. Auf einen Zeithorizont für Änderungen legt sich die Frauenministerin nicht fest.

AUF EINEN BLICK

Prostitution. Bis zu einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs im April 2012 galten Verträge über sexuelle Dienstleistungen als sittenwidrig. Seither können Sexarbeiter – meist sind es Frauen – ihren Lohn einklagen. Konkrete Auswirkungen auf die Prostitution hatte der Fall der Sittenwidrigkeit bisher nicht, berichten Beratungsstellen. Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) will mit einem Maßnahmenpaket eine bessere soziale Absicherung für Sexarbeiter erreichen. Zudem sollen die Gesetze bundeseinheitlich geregelt werden. Auf einen zeitlichen Horizont legt sich die Ministerin nicht fest.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.12.2013)

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