Die Volkspartei fordert weiter "Bewegung" von der SPÖ. SP-Chef Faymann setzt auf Optimismus: Eine Regierung bis Weihnachten könne sich ausgehen.
Die ÖVP drängt in den stockenden Koalitionsverhandlungen weiterhin auf "Bewegung" der SPÖ. Am Donnerstag hat Parteiobmann Michael Spindelegger deshalb mit Wiens Bürgermeister und SP-Landesparteichef Michael Häupl ein Vier-Augen-Gespräch geführt. Häupl ist zwar in keiner Verhandlungsgruppe vertreten, verfügt aber über eine gewichtige Stimme in der Partei.
Was konkret Häupl und Spindelegger besprochen haben, drang vorerst nicht nach außen. Die Atmosphäre dürfte aber durchaus angespannt gewesen sein. Immerhin hatte Häupl der ÖVP erst unlängst ausgerichtet, endlich "mit den Spielen aufzuhören" . Spindelegger wiederum hat der SPÖ in den vergangenen Tagen mehrmals mangelnde Beweglichkeit vorgeworfen - zuletzt auch bei einem Treffen mit Bundespräsident Heinz Fischer .
"Mein Wunsch war, diese Verhandlungen gründlich aber zügig zu führen. Unter zügig habe ich eindeutig verstanden, bis Weihnachten." Bundespräsident Heinz Fischer mahnte SPÖ und ÖVP Ende November zur Eile bei den Regierungsgesprächen. Für diese Woche forderte er "entscheidende Durchbrüche". Doch danach sieht es derzeit nicht aus. Der Stand der Verhandlungen in Zitaten. (c) APA "Bei allem Verständnis für den Wunsch des Herrn Bundespräsidenten, dass er bald eine neue Bundesregierung haben möchte, muss man einfach sehen, dass es noch viele offene Fragen gibt."VP-Staatssekretär Reinhold Lopatka will sich nicht drängen lassen. (c) APA/HERBERT PFARRHOFER (HERBERT PFARRHOFER) "Bei den wesentlichen Fragen gibt es keine Einigung, das ist dramatisch".Auch für VP-Chef Michael Spindelegger sind keine Durchbrüche in Sicht. (c) APA/HERBERT PFARRHOFER (HERBERT PFARRHOFER) Optimismus gibt dagegen SP-Chef Werner Faymann aus. Das sei auch eine Frage der inneren Einstellung: "Man kann entweder sagen, wir werden das in den nächsten 14 Tagen nicht schaffen, das steht jedem zu, oder man kann sagen, wir haben die Aufgabe das zu schaffen." Inhaltlich dürfe man sich jedenfalls bezüglich der "Seelen der beiden Parteien nicht überfordern". (c) APA "Langsam und beschwerlich", findet VP-Innenministerin Johanna Mikl-Leitner die Gespräche mit der SPÖ. (c) APA "Ich denke, man sollte mit den Spielen aufhören", richtet Wiens SP-Bürgermeister Michael Häupl der Volkspartei aus. (c) APA/HERBERT PFARRHOFER (HERBERT PFARRHOFER) Auch SP-Verkehrsministerin Doris Bures ortet "Spielchen und Erpressungsversuche". "Ich weiß nicht, worauf das hinauslaufen soll?" (c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH) Um die notwendigen Reformen umzusetzen, brauche es "Beweglichkeit vom Partner". Spindelegger beklagt sich bei Bundespräsident Heinz Fischer über die SPÖ. (c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER) Faymann sieht beim Streitpunkt Einsparungen keinen Grund, sich in Richtung ÖVP zu bewegen: "Es ist kein neues Sparpaket für das Nulldefizit 2016 notwendig, jedenfalls keines, das die Bürger spüren." (c) APA "Wenn der Bundeskanzler das Nulldefizit 2016 außer Streit stellt, dann braucht es Maßnahmen. Und wenn ich Maßnahmen setze, dann gibt es Betroffene",kontert Lopatka. "Wenn nicht, dann kann die ÖVP nicht abschließen, so bitter das ist. Aber das ist natürlich nicht das Ziel." (c) GEPA "Der Ball liegt bei der ÖVP",, meint SP-Klubchef Andreas Schieder. Die Volkspartei solle sagen, wo und wie gespart werden solle. (c) APA "Es ist kein Unglück, wenn die Regierung erst im Jänner steht." VP-Landeshauptmann Josef Pühringer sieht jedenfalls keinen Grund zur Eile. (c) APA Und für Reinhold Entholzer, Chef der SPÖ Oberösterreich, zählt das Ziel: "Wir als Sozialdemokratie müssen aus den Koalitionsverhandlungen stehend herauskommen." (c) APA Rot-schwarze ''Seelen'' und ihre ''dramatischen'' Differenzen "Verhandlungen auf Messers Schneide" Die Gespräche in den Verhandlergruppen werden unterdessen zwar weiter geführt - ein Teil der Finanzgruppe traf sich am Donnerstag etwa in Linz -, Einigungen sind derzeit aber kaum in Sicht. So zeichnete etwa der Kärntner VP-Landesparteichef Gabriel Obernosterer ein düsteres Bild: "Die Verhandlungen stehen nach wie vor auf des Messers Schneide; die ÖVP wird sich nicht verkaufen." Er forderte "klare Reformen" sowie die Sanierung des Budgets.
Unzufrieden hatte sich zuvor auch VP-Staatssekretär Reinhold Lopatka in der "ZiB2" gezeigt. Man sei "zwischendurch sehr langsam unterwegs". Ein Abschluss der Koalitionsverhandlungen bis Weihnachten könne sich theoretisch zwar ausgehen - aber "wenn wir so oft im Kreis fahren wie wir bei einzelnen Fragen schon gefahren sind, dann Nein."
Faymann: "ÖVP weiß schon, was zu tun ist" SP-Bundeskanzler Werner Faymann setzt dagegen auf Beschwichtigung. "Dass es Gegensätze und Unterschiede gibt, überrascht jemanden nicht, der gelernt hat, zu verhandeln", betonte er am Mittwoch in der "ZiB1". Anders als SP-Verkehrsministerin Doris Bures fühle er sich von der ÖVP aber nicht erpresst.
>> Steht die neue Regierung bis Weihnachten?
Überhaupt wolle er dem Verhandlungspartner nichts ausrichten, sagte der Kanzler gegenüber dem "Kurier": "Einen Appell an die ÖVP möchte ich nicht richten, dort weiß man schon, was zu tun ist." Faymann sieht in den Regierungsgesprächen keine offenen Fragen, die nicht lösbar wären. "Wenn wir ernsthaft verhandeln, haben wir bis Weihnachten eine Regierung".
SPÖ und ÖVP wollen ihr Regierungsprogramm am Freitag vorstellen, die Inhalte sind aber bereits nach außen gedrungen. Ein Überblick über die wichtigsten Punkte. (c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER) Die Normverbrauchsabgabe beim Autokauf sowie die motorbezogene Versicherungssteuer werden erhöht. Die Alkoholsteuer wird um 20 Prozent angehoben, die Steuer auf Sekt und Prosecco um einen Euro je Liter. Für eine Steuerreform gibt es eine Absichtserklärung ohne einen Termin. Der Eingangssteuersatz soll von 36,5 „in Richtung“ 25 Prozent gesenkt werden. BilderBox Die Familienbeihilfe wird mit 1. Juli 2014 je nach Alter der Kinder auf 180, 200 und 220 Euro erhöht. Das System des Kindergelds wird umgestaltet: Künftig soll es ein Konto mit einer Fixsumme geben, Dauer und Bezugshöhe sind frei wählbar. Unangetastet bleiben indes die Gelder für die Ganztagsbetreuung an Schulen (400 Mio. Euro), den Ausbau der Kinderbetreuung und für den Wohnbau (276 Mio. Euro), von denen ursprünglich Teile für die Familienbeihilfe abgezwackt werden sollten. Bis 2018 soll das faktische Pensionsalter, wie von der ÖVP verlangt, um 1,7 Jahre auf 60,1 Jahre steigen. Passiert dies nicht, sind verpflichtend weitere Eingriffe vorzunehmen. Welche, entscheidet die Koalition. Einigt sich diese nicht, muss eine Schlichtungsstelle mit Experten Klarheit bringen. (c) Clemens Fabry Für Arbeitgeber wird ein Bonus-Malus-System eingeführt. Wenn sie über 50-jährige Arbeitslose einstellen, sollen sie einen Bonus erhalten. Betriebe, die ältere Mitarbeiter hinauswerfen, sollen hingegen mit einem Malus zu bestraft werden. Konkret soll ab 2017 für alle Betriebe mit mehr als 25 Mitarbeitern, die nicht ausreichend Mitarbeiter über 55 beschäftigen, eine neue Abgabe für altersgerechte Arbeitsplätze eingeführt werden. Diese Abgabe wird zu 50 Prozent als Bonus für die Beschäftigung älterer Mitarbeiter eingesetzt, die restlichen 50 Prozent fließen in die betriebliche Gesundheitsförderung. (c) www.BilderBox.com (www.BilderBox.com) Ein zweites kostenloses Kindergartenjahr für Vier-bis Fünfjährige soll eingeführt werden. Das zweite Kindergartenjahr soll für Kinder mit Sprach- und Entwicklungsdefiziten verpflichtend werden. (c) Presse (Fabry) Künftig soll es mehr verschränkte Ganztagsschulen geben, in denen sich Unterricht, Lern- und Freizeit abwechseln. Das Regierungsprogramm sieht vor, dass es an jedem Standort mit mehr als einer Jahrgangsklasse bzw. "in zumutbarer Entfernung" eine Klasse geben soll, die nach diesem Modell geführt wird, sobald 15 (bzw. in bestimmten Fällen 12) Schüler dafür angemeldet werden. Wie schon im Regierungsprogramm 2008 geplant, soll den Schulleitern mehr Mitsprache bei Personalauswahl bzw. Ressourceneinsatz gegeben werden. (c) Die Presse (Clemens Fabry) Die bis 2016 limitierte Solidarabgabe für Spitzenverdiener wird verlängert. (c) Clemens Fabry Die Mietvertragsgebühr für unter 35-Jährige bei erstmaligem Mietvertragsabschluss zwecks Hauptwohnsitzbegründung entfällt. APA/HELMUT FOHRINGER Die Kosten für Kieferregulierungen, festsitzenden Zahnersatz und Mundhygiene für Kinder und Jugendliche werden künftig von den Krankenkassen übernommen. Außerdem wird der Spitalskostenbeitrag für Kinder und Jugendliche abgeschafft und ein Gesundheitspass für 7- bis 18-Jährige eingeführt. APA/GEORG HOCHMUTH Die Staatsholding ÖIAG wird neu ausgerichtet. Sie soll selbst über die Steigerung oder Senkung von Unternehmensanteilen die sie verwaltet entscheiden können; allerdings ohne die Sperrminorität von 25 Prozent zu unterschreiten. APA/HERBERT PFARRHOFER Unternehmen sollen künftig bis zu zehn Prozent des Bilanzgewinns, aber maximal 1.000 Euro pro Mitarbeiter, steuerbegünstigt ausschütten können. Die Abgabe soll pauschal 25 Prozent, befristet auf drei Jahre, betragen. Die Senkung von Lohnkosten wird "geprüft". (c) Presse/ Bruckberger Die Hürden für den Parlamentseinzug über Vorzugsstimmen werden noch einmal gesenkt, versprechen SPÖ und ÖVP im Regierungsprogramm. Zurückhaltend äußern sie sich zum Demokratiepaket, dazu soll eine Enquete-Kommission eingesetzt werden.Vage auch die Vorhaben zu einer Verwaltungsreform. Die Regierung dürfte eine Bezirksgerichts-Reform planen, denn das Zustimmungsrecht der Länder bei der Änderung der BG-Sprengel soll gestrichen werden. Und: Die Mitwirkung des Bundesrates an der Gesetzgebung soll "wirksamer und kostengünstiger gestaltet" werden - die Länderkammer also offenbar kleiner werden. (c) APA/HERBERT PFARRHOFER (HERBERT PFARRHOFER) Im Regierungsprogramm findet sich unter der Rubrik Ziel zum Thema "Für eine moderne Polizei und Sicherheitsverwaltung" lediglich folgender Punkt: "Sicherstellung einer zeitgemäßen Polizeiarbeit durch einen zielgerichteten Personaleinsatz, eingebettet in eine leistungsfähige Organisation zur Gewährleistung einer hohen Außendienstpräsenz sowie Ausbau des Bürgerservices und Reduktion des Verwaltungsaufwandes für BürgerInnen und Behörden." (c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH) Bei den staatlichen ÖBB soll ein integrierter Taktfahrplan eingeführt werden. Die drei umstrittenen Tunnelprojekte Semmering, Koralm und Brenner werden in dem Papier nicht erwähnt, allerdings heißt es: "Sowohl der Ausbau der großen Achsen, insbesondere der Südachse, als auch die Modernisierung des Bestandsnetzes, die Bahnhofsoffensive und die Güterterminals wird weiter geführt." www.BilderBox.com Die Regierung will Gerichte entlasten, Gerichtsgebühren evaluieren, und eine neue Justizanstalt mit eigener Jugendabteilung im Raum Wien errichten. Außerdem wurde ins Abkommen die schon von Ex-Ministerin Beatrix Karl angestoßene große Reform des Strafgesetzbuches (samt Beseitigung der Ungleichgewichte bei den Strafen) aufgenommen. Außerdem soll es eine Bezirksgerichts-Reform geben (siehe Punkt "Staatsreform"). (c) bilderbox Was die neue Koalition bringt >> "ZiB2" in der ORF-TV-Thek
>> "Kurier"-Bericht
(APA/Red.)
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