Deutschlands Innenminister Friedrich will notfalls bilaterale Verständigung außerhalb der EU-Strukturen.
Wien/Brüssel. „Das reicht nicht aus, um die Probleme zu lösen.“ Hans-Peter Friedrich ist unzufrieden. Das von der Kommission vorgelegte Dokument zur Freizügigkeit von EU-Bürgern ist Deutschlands Innenminister nicht restriktiv genug. Der CSU-Politiker ist deshalb entschlossen, „notfalls außerhalb der EU-Strukturen eine multilaterale Verständigung“ zu finden, um des angeblichen Problems Sozialtourismus Herr zu werden. Mit diesem Ansinnen ist er nicht allein: Dem Vernehmen nach nannten auch Großbritannien, die Niederlande und Österreich die Kommissionsvorschläge beim gestrigen EU-Innenministerrat unzureichend. Ab 1.Jänner 2014 gilt die Arbeitnehmerfreizügigkeit auch für Bulgaren und Rumänen. Viele EU-Staaten blicken diesem Datum mit großer Besorgnis entgegen.
Justizkommissarin Viviane Reding hatte den Ministern ein Papier präsentiert, in dem die grundsätzlichen Regeln zur Inanspruchnahme von Sozialleistungen durch EU-Ausländer festgelegt sind: So ist der Aufnahmestaat während der ersten drei Monate nicht verpflichtet, arbeitslosen Migranten aus anderen Mitgliedstaaten Sozialhilfe zu gewähren. Wenn hingegen ein EU-Bürger, der sich bereits länger im Gastland aufhält, staatliche Unterstützung beantragt, muss das im Einzelfall durch die Behörden geklärt werden. Genau daran entzündete sich in Deutschland eine heftige Debatte, weil ein Gericht in Nordrhein-Westfalen einer arbeitslosen rumänischen Familie das Recht auf Sozialleistungen zugesprochen hatte. Der Fall geht nun einmal an das Bundessozialgericht. Unter den Unionspolitikern aber ist die Aufregung groß: Zwar könne EU-Ausländern, die dauerhaft keine Anstellung finden, der Aufenthaltstitel entzogen werden. Rechtsklarheit gebe es aber nicht. Reding wirft den Ball nun zurück an die Mitgliedstaaten: Missstände müssten durch nationales Recht geahndet werden. Letzte Woche hatte Großbritanniens Premier, David Cameron, schon angekündigt, die Rechte von EU-Ausländern einschränken zu wollen.
6000 Euro für jeden Flüchtling
Ein weiteres brisantes Thema beim gestrigen Innenminister-Rat war die Vermeidung von Flüchtlingstragödien im Mittelmeer. Die Kommission drängt auf mehr Solidarität unter den Mitgliedstaaten und schlägt zu diesem Zweck einen Maßnahmenkatalog vor. Darin enthalten ist unter anderem die Zusage, jeden neu angesiedelten Flüchtling in der EU mit 6000 Euro zu unterstützen. Zur sofortigen Hilfe der am meisten betroffenen südlichen Mitgliedstaaten stellt die EU 50 Millionen Euro zur Verfügung. (aga)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.12.2013)