Deutsche investieren schlecht im Ausland

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GERMANY CHRISTMAS TREEAPA/EPA/Bernd von Jutrczenka
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Die hohen Exportüberschüsse haben eine Kehrseite: Viel deutsches Kapital fließt ins Ausland. Dort hat es seit 2006 stark an Wert verloren. Was die USA besser machen, zeigt eine neue DIW-Studie.

Berlin. Deutschland steht einmal mehr am Pranger: Brüssel und Washington kritisieren die „zu erfolgreiche“ deutsche Exportwirtschaft und die hohen Leistungsbilanzüberschüsse. Die EU-Kommission denkt sogar darüber nach, durch Strafen und Hürden die Exportmacht der Deutschen zu brechen.

Dabei wird meist übersehen, dass sich der Saldo aus Aus- und Einfuhren in den Kapitalströmen widerspiegelt. Wer mehr importiert als exportiert, verschuldet sich und muss sein Defizit mit Kapital aus dem Ausland finanzieren – aus jenen Ländern, die Überschüsse erzielen. Solange Angebot und Nachfrage nach Kapital konstant bleiben, ändert sich der Saldo der Leistungsbilanz nicht. Auch dann nicht, wenn die Exporte künstlich geschwächt werden. Die Deutschen könnten dann nur entsprechend weniger importieren, womit niemandem geholfen wäre.

Sehr wohl aber kann es lohnen, sich Gedanken über die „Verwendungsseite“ dieser Bilanz zu machen. Warum tragen die Deutschen ihr Geld so gern ins Ausland? Warum investieren sie ihre Exportgewinne nicht stärker zu Hause, in Maschinen, Wohnraum oder Infrastruktur? Das würde die Überschüsse verringern. Die Frage drängt sich auf, weil die Deutschen mit ihren Auslandsinvestitionen zuletzt keine glückliche Hand bewiesen haben. Eine aktuelle Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin erinnert daran: Auf 20 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung kumulieren sich Bewertungsverluste des Nettoauslandsvermögens seit 2006. Davor waren die Wertschwankungen seit Beginn der Neunzigerjahre gering.

Beteiligungen statt Anleihen

Die Auswertung von Guido Baldi zeigt auf, was die deutschen Investoren falsch gemacht haben. Pech mit Wechselkursen hatten sie nicht. Sie legten ihr Geld vor allem kurzfristig in Wertpapiere und Kredite an, auch in Euro-Peripheriestaaten, in denen es wegen der Finanz- und Schuldenkrise bergab ging. Die Kurse der Aktien und Staatsanleihen brachen ein, Kredite mussten abgeschrieben werden. An Wert gewonnen hat seit 2006 hingegen der kleinere Teil der strategischen „Direktinvestitionen“ in ausländische Unternehmen.

Vergleiche mit anderen Ländern zeigen: Ein Auf und Ab im Wert des Nettoauslandsvermögens ist normal. Aber längerfristig sollte es zumindest keine Verluste geben, damit heutige Leistungsbilanzüberschüsse künftigen Generationen etwas bringen. Den USA gelingt es schon seit 1991, den Wert des Nettoauslandsvermögens zu steigern. Sie investieren erfolgreich, vor allem in strategische Beteiligungen. Das dämpft den Rückgang des Vermögensvolumens, der sich aus den chronischen Leistungsbilanzdefiziten ergibt.

Wie sieht es in Österreich aus? Ähnlich wie in Deutschland war hierzulande der Wert des Nettoauslandsvermögens lange fast konstant und verlor dann ein Fünftel seines Wertes. In den letzten Jahren hat es sich etwas stabilisiert, liegt aber immer noch um 15 Prozent unter dem Wert von 2003.

Wie in Deutschland kommt der größere Teil der Verluste aus Portfolioinvestitionen, hat Thomas Url vom Wifo für die „Presse“ herausgefunden. Da heimische Anleger vor allem auf festverzinsliche Wertpapiere setzen, dürften auch hier vor allem Staatsanleihen der Euro-Peripherieländer schuld sein.

Engagement streut Risken

Dazu kamen aber auch Verluste aus Direktinvestitionen: die Abschreibungen der Banken auf Beteiligungen in Osteuropa. Allerdings ist die Bewertung in Österreich verzerrt: Die Daten kommen aus den Bilanzen der Firmen, die ihre Beteiligungen laut Handelsrecht nicht aufwerten dürfen. Damit sind Wertsteigerungen der Vergangenheit nicht ausgewiesen.

Klaus Weyerstraß vom IHS verteidigt das Ost-Engagement: „Es ist lange Zeit sehr gut gelaufen, und es wird sich auch wieder positiver entwickeln. Für eine gute Diversifikation ist es wichtig, Gewinne auch im Ausland anzulegen.“ Österreich steht auch nicht am Pranger Brüssels. Die Leistungsbilanzüberschüsse fallen in Relation zum BIP niedriger aus als in Deutschland. Und ein kleines Land spielt bei diesem Thema nur eine kleine Rolle.

AUF EINEN BLICK

Die Nettoauslandsinvestitionen der deutschen Unternehmen, Banken und Anleger haben seit 2006 um 20 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung an Wert verloren. Grund dafür sind vor allem Verluste auf Wertpapiere aus Euro-Krisenstaaten. Die USA investieren schon lange sehr erfolgreich im Ausland, vor allem in strategische Beteiligungen an Unternehmen. Direktinvestitionen legten auch in Deutschland an Wert zu. Ökonomen empfehlen den Deutschen, mehr im Inland zu investieren. Das würde auch die Leistungsbilanzüberschüsse, die von Brüssel kritisiert werden, automatisch verringern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.12.2013)

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