Venezuela: „Senkt die Preise, es kommt der gute Nicolás Maduro“

Venezuela's President Maduro smiles during a meeting with ministers and lawmakers of the National Assembly in Caracas
Venezuela's President Maduro smiles during a meeting with ministers and lawmakers of the National Assembly in CaracasREUTERS
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Vor den Kommunalwahlen am Sonntag überzog der autokratische Staatschef Maduro das Land mit einer Welle sozialistischen Populismus.

Buenos Aires/Caracas. Wenn noch etwas fehlte in Venezuelas alltäglichem magischen Realismus, dann dieses neue Weihnachtslied: „Senkt die Preise, es kommt Nicolás“, lautet der Refrain des landesweit verbreiteten Textes, der da preist: „Zu diesem Weihnachtsfest, mit Maduro an der Regierung, wurde erreicht, dass das Volk zu gerechten Preisen einkaufen kann.“

Schwer zu sagen, ob dieses Liedchen das Christfest überdauert, aber das ist wahrscheinlich auch zweitrangig. Wichtig ist, dass Venezuelas Wahlvolk noch bis zu diesem Sonntag an die frohe Botschaft des volksfreundlichen Nicolás glaubt. Denn am Tag Mariae Empfängnis sollen die Venezolaner neue Bürgermeister und Stadträte wählen. Weil dies der erste nationale Urnengang in der Ära Maduro ist, haben sowohl Opposition als auch Regierung dieses Votum zum Plebiszit über die Amtsführung des Nachfolgers des Comandante Hugo Chávez aufgewertet.

Maduros erstes Jahr war für die meisten Venezolaner alles andere als angenehm. Das Land steckt in einer tiefen Wirtschaftskrise, die Inflationsrate ist mit über 50 Prozent die derzeit höchste der Welt. Devisen kosten auf dem Schwarzmarkt das Zehnfache des offiziellen Kurses. Im ganzen Land mangelt es an Grundnahrungsmitteln und Gütern des täglichen Gebrauchs. Eine Untersuchung der Zentralbank ergab Ende September, dass in neun von zehn Supermärkten Milch fehlte, in acht von zehn Geschäften gab es kein Toilettenpapier. Weil aus einer Vielzahl von Meinungsumfragen bekannt ist, dass Venezuelas Bürger die Fehlversorgung direkt der Regierung anlasten – im Gegensatz zu anderen Übeln wie Korruption oder Inflation, die vielfach akzeptiert werden, als seien sie Folgen höherer Gewalten – entschloss sich der Regierungschef Anfang November, Soldaten in Warenhäuser zu schicken.

„Dass ja nichts mehr in den Regalen bleibt“, war der präsidiale Schlachtruf, den viele Bürger wörtlich nahmen und zu Elektroketten, Spielwarenhändlern und Baumärkten ausschwärmten. Um 30, 40, 50, gar bis zu 70 Prozent ließ die Regierung die Preise senken und erzeugte damit einen nationalen Kaufrausch, der in Maduros Satz kulminierte: „Wir werden garantieren, dass das ganze venezolanische Volk Flachbildfernseher bekommt.“

Ohne den Charme von Chávez

Dies war nicht eine der vielen verbalen Pannen, die Maduro seit seinem Amtsantritt im April unterlaufen sind. Das Versprechen von Luxusgütern für alle ist die venezolanische Variante der sozialistischen Lehre. „In diesem Land verteilt die Regierung Elektronik, aber es fehlt an Speiseöl und Mehl. Und dann sagen sie dir, das sei Sozialismus“, schimpft die Angestellte Andrea Becerra, deren langer Weg ins Büro immer länger wird, weil der Verkehr ständig von Warteschlangen aufgehalten wird.

Derweil ändert Präsident Maduro schrittweise die Gesetzgebung im Alleingang. Das darf er, seit ihm der Kongress Ende November eine einjährige Erlaubnis dazu gab. Dieses Ermächtigungsgesetz nutzte Maduro, um Gewinnmargen für Unternehmer zu limitieren und Preisgrenzen für Neu-und Gebrauchtwagen zu erlassen.

Da Maduro, der nach einer Untersuchung der katholischen Universidad Andrés Bello täglich im Durchschnitt 90 Minuten live im TV spricht, von seinem Vorgänger aber weder dessen Schmäh noch Charme geerbt hat, versucht er seine Herrschaft mit Muskeln zu festigen. Die Angriffe auf die Unternehmen erfolgten, nachdem Maduros Zustimmungswerte in Meinungsumfragen von 47 auf 41 Prozent gesunken waren. Die Preisdiktate könnten ihm Auftrieb vor den Wahlen verleihen, glauben die Demoskopen. Tatsächlich sehen sie Maduros Kandidaten leicht favorisiert. Das mag auch daran liegen, dass sich Maduro Popularität holte, indem er landesweit bekannte Baseball-Götter und Schlagerstars zur Kandidatur für einen Bürgermeisterposten überredet hat.

Die Opposition wird sich gedulden müssen. Die erste legale Möglichkeit, sich des Präsidenten durch ein Abwahlreferendum zu entledigen, kann sich erst nach zwei Dritteln der Amtszeit ergeben, das wäre 2016. Dennoch versuchte der Oppositionsführer Capriles seine Anhänger via Twitter davon zu überzeugen, am Sonntag unbedingt wählen zu gehen.

Medien unter Staatskontrolle

Die sozialen Netze und das Internet sind für die Opposition zur wichtigsten Kommunikationsplattform geworden, nachdem regierungsfreundliche Unternehmer im April den letzten kritischen TV-Kanal Globovision übernahmen und fast alle dissidenten Radiosender verstummt sind; die regierungsferne Presse bekam vom Staat heuer 20 Strafverfahren aufgebrummt, hohe Strafzahlungen sollen den Blättern die wirtschaftliche Basis rauben.

Die Staatskanäle mühen sich derweil, den von Versorgungsmängeln und Stromausfällen geplagten Bürgern das Leben mit frohen Botschaften des guten Nicolás zu versüßen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.12.2013)

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