Südafrika: Machtkampf um „Madibas“ Erbe

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Präsident Jacob Zuma sonnt sich im Rampenlicht der Trauerfeiern um Nelson Mandela. Die Staatspartei ANC versinkt vor den Wahlen im Frühjahr 2014 in Korruption und Nepotismus.

Flankiert von zwei maßgeblichen Mitgliedern des Mandela-Clans, Witwe Winnie und Enkel Mandla, beschwor Jacob Zuma in der Methodistenkirche im Johannesburger Vorort Bryanston das Vermächtnis des „Vaters“ der Nation: „Wir dürfen nicht die Werte vergessen, für die Madiba eingestanden ist, für die er sein Leben geopfert hat.“ Da predigte ausgerechnet jener Präsident, den eine Karikatur in der Zeitung „Mail and Guardian“ als einen Mann porträtiert hatte, der in einem Pool aus Bargeld schwimmt.

Südafrikas Präsident hatte neulich der Reihe an Skandalen einen neuen hinzugefügt: Um 21 Millionen Dollar ließ er sein Privatanwesen in der Provinz Natal ausbauen – samt Swimmingpool, Hubschrauberlandeplatz und Fußballplatz. Im Lauf seiner Karriere, die der charismatische Politiker allein der Staatspartei ANC zu verdanken hat, ist Jacob Zuma zur Inkarnation geworden für Korruption und Nepotismus. Er hat sich und seinen Clan schamlos bereichert.

Der „schwarze Berlusconi“

Der 71-jährige bekennende Polygamist, sechs Mal verheiratet und Vater von 20 Kindern, macht mehr durch seine Affären von sich reden als durch seine Regierungsbilanz: Einmal stand er in einem Korruptionsverfahren vor Gericht, ein anderes Mal in einem Vergewaltigungsprozess – und jedes Mal kam das Schlitzohr davon. Der „Stern“ titulierte ihn prompt als „schwarzen Berlusconi“. Aufhorchen ließ er zudem mit seinem Geheimrezept, wie er sich – gerade im von Aids gebeutelten Südafrika – vor der Seuche schützt: mit einer heißen Dusche.

Mit Feuereifer wird das Staatsoberhaupt heute jedoch seinen Repräsentationspflichten nachkommen. Er wird Dutzende Staatsgäste aus aller Welt zum offiziellen Trauerakt in „Soccer City“, dem zur Fußball-WM 2010 erbauten Stadion im ehemaligen Johannesburger Township Soweto, begrüßen und sich im südafrikanischen Sommer im Glanze der Obamas, Clintons oder Camerons sonnen. Und im Angesicht von Prinz Charles, dem britischen Thronfolger und Vertreter des Commonwealth, wird er neuerlich die zentrale Trauerrede halten.

Am späten Donnerstagabend überbrachte er dem Land in wohl gesetzten, lange vorbereiteten Worten via TV-Ansprache die Nachricht vom Tod Mandelas: „Unsere Nation hat unseren größten Sohn verloren, unser Volk den Vater.“ Bis Sonntag, bis zur eigentlichen Bestattung in Mandelas Heimatdorf Qunu, wird Zuma jede Gelegenheit nutzen, sich im Rampenlicht als „Madibas“ Erbe zu präsentieren – so wie er dies bereits in der Vergangenheit an dessen Krankenbett getan hat, als der sieche Mandela bereits zu schwach war, sich gegen die Umarmungsversuche des Populisten zu wehren.

Bei den Parlaments- und Präsidentenwahlen im April hofft Zuma, noch einmal vom Glanz des „Übervaters“ zu profitieren. Bei den sogenannten „Born Frees“, der Generation der nach der Befreiung Geborenen, hat der ANC viel an Sympathie verloren. Gewöhnt an Zweidrittelmehrheiten, haben der ANC und seine Führer abgewirtschaftet. Die Partei der schwarzen Bürgerrechtsbewegung ist in diverse Flügel gespalten, und einige Protagonisten wie der populistische Jugendführer Julius Malema oder die Freundin der ermordeten Anti-Apartheid-Ikone Steve Biko haben sich ganz losgesagt. Selbst Desmond Tutu, der Friedensnobelpreisträger und ehemalige Erzbischof, bekannte: „Ich werde den ANC nicht wieder wählen.“ Als eine von Mandelas größten Schwächen bezeichnete Tutu dessen „unerschütterliche“ Loyalität zum ANC.

Comeback des „Kronprinzen“

Dabei hatte Mandela andere Nachfolger im Auge als Thabo Mbeki und Jacob Zuma, die später in einem Machtkampf übereinander herfielen – und gerade Zuma war ihm ein Dorn im Auge. Als „Kronprinzen“ und Vizepräsidenten hatte er eigentlich Cyril Ramaphosa auserkoren, den einstigen Gewerkschaftsführer und ANC-Generalsekretär, der die Verfassung austüftelte. Das Amt des Außenministers schlug Ramaphosa indessen aus, um als Wirtschaftstycoon Karriere zu machen und zu einem der reichsten Afrikaner zu avancieren. Im Vorjahr schaffte der 61-Jährige als ANC-Vizepräsident sogar ein Polit-Comeback. Seine Zeit werde noch kommen, vertröstete ihn einst Nelson Mandela. Ramaphosas Biograf Anthony Butler urteilt: „Cyril ist der Forrest Gump Südafrikas.“

AUF EINEN BLICK

Mandela-Trauerfeiern. In „Soccer City“, dem Johannesburger Fußballstadion, findet heute Vormittag ein Trauerakt für Nelson Mandela statt. Südafrika erwartet 70 amtierende und zehn frühere Staats- und Regierungschefs, darunter Barack Obama, David Cameron oder François Hollande. Auch Bill Clinton, George W. Bush oder Prinz Charles werden Mandela die letzte Ehre erweisen. Indessen sagten der Dalai Lama, Israels Premier Benjamin Netanjahu und auch Heinz Fischer ab. Fischer wird am Mittwoch in Lübeck eine Rede zum 100. Geburtstag Willy Brandts halten. Bundesratspräsident Reinhard Todt vertritt Österreich derweil in Südafrika.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.12.2013)

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