Italien: Wieso die Regierung Renzi fürchtet

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Der dynamische neue Linksdemokratenchef wird den Druck auf Premier Enrico Letta erhöhen: Er will eine Direktwahl des Regierungschefs und ist Wahlen im Frühling nicht abgeneigt.

Rom/Wien. „Jetzt ist eine neue Generation an der Reihe. Jetzt sind wir dran, das Steuer in die Hand zu nehmen. Heute beginnen wir, eine neue Geschichte zu schreiben.“ Nahezu euphorisch und, wie gewohnt, gänzlich unbescheiden feierte sich Italiens neuer Superstar Matteo Renzi am späten Sonntagabend. Mit stolzen 67,8 Prozent war der charismatische Bürgermeister von Florenz zum Chef der Linksdemokraten gewählt worden. An der Abstimmung hatten sich nicht nur Parteimitglieder, sondern alle Italiener beteiligen können.

Mit der Kür des 38-Jährigen schlägt Italiens Linke ein neues Kapitel auf. Denn der rhetorisch brillante Renzi ist nicht nur jung für einen Parteichef – er inszeniert sich auch betont als Gegenpol des alteingesessenen, gewerkschaftsnahen und exkommunistischen Parteiflügels. Gleich in seinen ersten Minuten als Parteichef forderte er: „Die Gewerkschaften müssen sich mit uns verändern.“

Ein Barack Obama aus Florenz

Der Florentiner Bürgermeister mag es, wenn er mit Tony Blair und Barack Obama verglichen wird. Dem mächtigen linken Kader ist der selbstbewusste Politiker zu rechts. Ob es Renzi tatsächlich gelingen wird, die seit Jahrzehnten dominierende Linksfraktion in den Schatten zu drängen oder gar ein linksliberales Zentrum ins Leben zu rufen, wird sich zeigen. An dieser Aufgabe sind bereits mehrere gescheitert – Romano Prodi und Roms Ex-Bürgermeister Walter Veltroni haben es nicht geschafft.

Sicher ist hingegen, dass der dynamische Renzi die dauerkriselnde italienische Politik noch weiter aufmischen wird. Seinem Parteifreund Enrico Letta, dem Premier, wird er das Leben nicht leicht machen: Immer wieder hat der ehrgeizige Bürgermeister dem Regierungschef einen viel zu nachgiebigen Kurs gegenüber dem rechten Koalitionspartner vorgeworfen. Letta solle der Regierung einen „linksdemokratischen Stempel“ aufdrücken, fordert Renzi. Aus Angelino Alfanos mitregierenden Rechten hört man bereits pikierte Warnungen vor einem „inakzeptablen Renzi-Diktat“.

Die labile Große Koalition kann derzeit weitere destabilisierende Attacken nicht gebrauchen: Nach dem Koalitionsaustritt der Berlusconi-treuen Forza Italia ist Letta wieder einmal gezwungen, am Mittwoch die Vertrauensfrage zu stellen, um sein Regierungsprogramm für 2014 durchzupeitschen. Auch das Budget hat er vor zwei Wochen nur dank Vertrauensvotums verabschieden können. Für die Regierung des chronisch überschuldeten Eurokrisenlandes war es bereits schwierig genug, sich auf die darin vorgesehenen Reformen – unter anderem leichte Steuersenkungen und Einsparungen im öffentlichen Dienst – zu einigen. Doch für Brüssel und die OECD gehen die Bemühungen nicht weit genug, um die stagnierende Wirtschaft wieder anzukurbeln und den enormen Schuldenberg abzubauen. Sie fordern mehr Reformen.

Auf die bereits sichtlich überforderte Regierung kommt jetzt erstmals eine ganz andere heikle Aufgabe zu: eine Verfassungsreform – vor allem die Änderung des als verfassungswidrig erklärten Wahlgesetzes. Während sich Renzi in Wirtschaftsfragen bisher eher vage äußerte (grundsätzlich Ja zu weiteren Liberalisierungen, Nein zu Steuern, zögerlich bei Pensions- aber entgegenkommend bei Arbeitsmarktreformen), hat er in puncto neuer Verfassung klare Vorstellungen: Der Premier solle künftig direkt gewählt werden.

Und da steht Renzi den Positionen Silvio Berlusconis, des derzeit mächtigsten Oppositionspolitikers, sehr nahe. Das ist aber nicht der einzige Punkt, in dem sich die beiden wiederfinden: Sie machen kein Geheimnis aus ihrem Wunsch, im Frühjahr ein neues Parlament zu wählen. Berlusconi soll sogar mit seinem Erzrivalen, Komikerpolitiker Beppe Grillo, persönlich besprochen haben, wie man die Regierung zu Fall bringen könnte.

Übrigens: Berlusconi gehörte zu den Ersten, die Renzi telefonisch gratulierten.

AUF EINEN BLICK

Matteo Renzi (38) wurde Sonntagabend mit fast 68 Prozent der Stimmen zum neuen Chef der in Italien regierenden Linksdemokraten gewählt. Der smarte Bürgermeister von Florenz will nicht nur die Partei reformieren, sondern stellt sich als Vertreter einer neuen Politikergeneration dar. Durch die Wahl Renzis zum Parteichef erhoffen sich die in Umfragen eher schwachen Linksdemokraten neuen Aufwind.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.12.2013)

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