Niederlande: Blockade gegen Ost-Fremdarbeiter

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Die Städte Den Haag und Rotterdam planen, die Arbeitsfreizügigkeit von bulgarischen und rumänischen Zuwanderern zu verhindern. Das widerspricht EU-Recht.

Den Haag. In etwas mehr als zwei Wochen ist es so weit. Dann beginnt nicht nur ein neues Jahr, dann haben Bulgaren und Rumänen auch völlige Reise- und Arbeitsfreiheit innerhalb der Europäischen Union. Sie können in allen EU-Mitgliedsländern wohnen und arbeiten – voraussichtlich aber nicht in Den Haag und Rotterdam. Die beiden niederländischen Großstädte wollen keine Rumänen und Bulgaren innerhalb ihrer Stadtgrenzen akzeptieren – und sie haben auch schon einen konkreten Plan: Bürger aus diesen beiden EU-Mitgliedstaaten sollen keine Bürgerservice-Nummer (BSN) erhalten. Wer aber in den Niederlanden keine BSN hat, der kann dort auch nicht arbeiten. Auf diese Art und Weise wollen die Stadtverwaltungen von Den Haag und Rotterdam verhindern, dass Bulgaren oder Rumänen in ihren Städten arbeiten können. Sie widersetzen sich damit der EU-Regelung des freien Reise- und Personenverkehrs und des Niederlassungs- und Arbeitsrechts innerhalb der Union.

„Sie werden massenhaft kommen“

„Sie werden kommen, und sie werden massenhaft kommen“, meint der Rotterdamer Stadtrat Hamit Karakus. Er ist eigens nach Rumänien gereist, um sich vor Ort ein Bild von der wirtschaftlichen Lage in dem Balkanland zu machen. Was er dort angetroffen habe, habe ihn erschüttert, schreibt Karakus in der Zeitung „Algemeen Dagblad“. „Ich versuchte, den Leuten in Rumänien klarzumachen, sie sollten zu Hause bleiben. Ich habe ihnen gesagt, wenn sie in die Niederlande kämen, dann würden sie hier skrupellos ausgebeutet. Sie bekämen Hungerlöhne, müssten für fünf Euro die Stunde oder noch weniger arbeiten – für Tätigkeiten, für die andere mehr als das Doppelte bekämen. Was war ihre Antwort? Sie fragten mich, ob sie sich sofort bei mir bewerben könnten, denn in Rumänien verdienen sie nur 0,50 Euro die Stunde.“ Karakus ist deshalb fest entschlossen, das Vorhaben der Stadtverwaltung umzusetzen.

Doch der Schuss könnte nach hinten losgehen. Dann nämlich, wenn die nach Rotterdam und Den Haag kommenden Bulgaren und Rumänen versuchen sollten, illegal, also schwarz zu arbeiten, weil ihnen legale Arbeit untersagt wird. Das Haager Innenministerium wurde von beiden Städten über die geplante ,,Abwehrmaßnahme“ gegen Bulgaren und Rumänen informiert. Dort weiß man derzeit keinen Rat. Innenminister Ronald Plasterk betont lediglich immer wieder, dass Bulgaren und Rumänen ab 1. Januar 2014 überall in den Niederlanden arbeiten könnten, so wie es die EU-Regelung vorsieht. Auch eine Antwort auf die Frage, was er zu tun gedenke, wenn Rotterdam und Den Haag ihren Arbeitsmarkt systematisch abschotten, indem sie Bürgern aus diesen beiden Balkanländern keine BSN geben, bleibt er schuldig.

Arbeitslosigkeit von 8,4 Prozent

Die Niederlande haben in der Vergangenheit bereits erlebt, was es heißt, wenn die EU-Grenzen auch für Bürger aus den ehemaligen Ostblockländern völlig offen sind. Seit 2004, nachdem Polen, Tschechien, Ungarn und andere zentraleuropäische EU-Mitgliedsländer die volle Reise- und Arbeitsfreiheit in der EU erhielten, sind mindestens 200.000 Bürger dieser Ex-Ostblockländer in die Niederlande gekommen. Die meisten davon aus Polen. Nun rechnet man damit, dass jährlich mindestens 20.000 Bulgaren und ebenso viele Rumänen nach Holland kommen werden, um Arbeit zu suchen. Die Angst ist groß, dass die billigen Arbeitskräfte vielen Niederländern die Arbeitsplätze streitig machen. Denn die Arbeitslosigkeit im Land liegt mit 8,4 Prozent der Berufsbevölkerung schon sehr hoch. Sie wird den Prognosen zufolge im kommenden Jahr auf über neun Prozent ansteigen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.12.2013)

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