Karmasin hatte eine Stunde zum Überlegen, Rupprechter eine Minute

ÖVP-Chef Michael Spindelegger traf die meisten Personalentscheidungen eher kurzfristig. Günther Platter verhinderte einen Landwirtschaftsminister aus Kärnten.

Der Anruf kam am Donnerstag um die Mittagszeit. Ob sie Ministerin für Familien und Jugend werden wolle, fragte Michael Spindelegger. Eine gute Stunde hatte die Meinungsforscherin Sophie Karmasin Zeit zum Überlegen, dann sagte sie zu.

In der ÖVP wusste kaum jemand Bescheid. Spindelegger hatte nur einige wenige informiert, unter anderem seinen Kabinettschef Jochen Danninger, den er noch am selben Tag zum Staatssekretär im Finanzministerium upgraden sollte.

In der Sitzung des Parteivorstandes am Donnerstagabend stieß die Personalie Karmasin nach anfänglichem Staunen auf breite Zustimmung. Im Gegensatz zu einem anderen Vorschlag. Bauernbund-Obmann Jakob Auer und Spindelegger hatten sich am Nachmittag auf den Kärntner Werner Wutscher als Landwirtschaftsminister verständigt. Und der frühere Rewe-Vorstand hatte dem Vernehmen nach auch schon zugesagt.

Doch dem ÖVP-Chef war ein folgenschwerer Kommunikationsfehler unterlaufen: Er hatte Tirols Landeshauptmann Günther Platter nicht darüber informiert, dass Landsmann Karlheinz Töchterle als Wissenschaftsminister abgelöst wird. Noch dazu war Generalsekretär Hannes Rauch, ebenfalls Tiroler, in der Vorwoche durch den Niederösterreicher Gernot Blümel ersetzt worden. Das ließ sich Platter nicht gefallen. In einer heftigen Debatte forderte er das Landwirtschaftsministerium für Tirol ein.

Um die Situation nicht eskalieren zu lassen, zog sich Spindelegger mit Platter und Auer zurück. Dabei dürfte die Liste möglicher Landwirtschaftsminister nach einem Tiroler durchforstet worden sein. Bei Andrä Rupprechter, einem ausgewiesenen Agrarexperten, hätte man eigentlich nicht gedacht, dass er seinen gut dotierten Job in Brüssel aufgeben würde. Der Vizekanzler versuchte es – und hatte Glück. Rupprechter, ein Jagdfreund Platters, nahm das Angebot wenige Augenblicke später an. Viel mehr Zeit zum Nachdenken hätte er ohnehin nicht gehabt.

Die ÖVP versuchte am Freitag glaubhaft zu versichern, dass Rupprechter Spindeleggers Wunschkandidat gewesen sei. Doch der Kärntner Parteiobmann Gabriel Obernosterer bestätigte – eher ungewollt – die turbulenten Szenen vom Donnerstagabend. Es sei „schade, dass es im letzten Moment nicht gelungen ist, dass ein Kärntner Minister wird“, sagte er der Austria Presseagentur. Denn Wutscher sei „bis zur letzten Sekunde ganz oben auf der Wunschliste gestanden“.

Beim designierten Justizminister Wolfgang Brandstetter, einem guten Bekannten, soll der Vizekanzler schon länger vorgefühlt haben. Sebastian Kurz wiederum erhielt das konkrete Außenminister-Angebot erst am Donnerstag. Da wurde auch Reinhold Mitterlehner über die Neuerungen informiert. Ein ÖVP-Mitglied fasste es so zusammen: „Wenn man bedenkt, wie die Personalentscheidungen getroffen werden, haben wir dieses Mal echt Glück gehabt.“

thomas.prior@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.12.2013)

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