Anton Bruckner, unbekanntes Wesen

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Eine neue CD bringt bisher Unerhörtes zum Klingen.

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Anton Bruckner, der große Zauderer unter den bedeutenden Komponisten der Romantik, ist mit einigen, leider nicht allen, seiner neun großen Symphonien regelmäßig in unseren Konzertprogrammen vertreten. Doch schon bei der Ankündigung einer Aufführung, etwa der "Symphonie Nr. 3", warten Kenner stets auf die (häufig fehlende, hie und da sogar inkorrekte) Zusatzangabe, welche Fassung dieser Symphonie denn auf dem Programm stehen wird. Zählt man alle, zum Teil höchst unterschiedlichen Versionen der Symphonien zusammen und rechnet die beiden "Studiensymphonien" dazu, die der Meister nicht nummeriert hat, dann gibt es eigentlich bis zu 17 Symphonien. Und es gibt offenbar Skizzen zu weiteren. Eine davon entstand 1869, nach der Übersiedlung nach Wien und vor der Arbeit an der Zweiten. Eine B-Dur-Symphonie hätte es werden sollen, Bruckners erste in Dur. Erhalten hat sich von diesem Plan der Symphoniebeginn, ein hinreißend geschwungener lyrischer Themenbogen, den Ricardo Luna mit einem kleinen Instrumentalensemble nun in einem eigens dafür hergestellten Arrangement erstmals zum Klingen brachte. Die CD "Bruckner unknown" beginnt mit dieser Überraschung. Sie enthält nebst einer Bearbeitung der Urfassung der Motette "Christus factus est" auch eine nie gespielte Variante des langsamen Satzes und des Scherzos aus Bruckners symphonischer Nummer eins.
Weiters zu hören sind alle spielbaren Fragmente zum Finalsatz der Neunten (also mehr Musik als auf den einschlägigen Versuchen etwa von Nikolaus Harnoncourt) und alle drei Versionen des Trios zum Scherzo-Satz der Neunten, die man sich zum Abhören mittels geschickter Programmierung der CD-Cuts sozusagen als Scherzo mit drei Trios arrangieren kann. Besonders erfreulich. Luna scheint ein exzellenter Dirigent zu sein, denn die Musik atmet in den für Bruckner ganz richtigen, langen, rhythmisch aber doch sensibel strukturierten Bögen. Und die klangliche Transparenz der Arrangements (mit den dem Bruckner-Orchester fremden harmonischen "Füllinstrumenten" Klavier und Orgel) macht dank ihrer Kargheit die Faktur der Musik analytisch begreiflich. Also birgt die Novität manch anregenden Diskussionsstoff für Brucknerianer   und im Falle des bewegenden Adagios aus der "Ersten Symphonie" sogar auch Musik zum entspannten Zurücklehnen und Genießen. Man hört die Erste ohnehin selten, mit dieser Version des langsamen Satzes hört man sie allerdings nie.


"Bruckner unknown", Preiser Records 91250

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