Hausgeschichten: Arndtstraße 88

Ein Gebäude in der Meidlinger Arndtstraße bietet Familien eine temporäre Heimstatt. Vorweihnachtlicher Besuch im „Freunde Schützen Haus“.

In den Gängen des Hauses in der Arndtstraße 88 in Wien-Meidling stehen Kinderwagen dicht hintereinander, auf einem Fensterbrett liegt das von einer Großbäckerei gespendete Brot, im Stiegenhaus wuseln Kinder, warm eingepackt in Jacken und Hauben, herum. In den Fluren ist es recht kalt, man spart. „Geheizt wird mit Strom. Das ist teuer“, sagt Karin Klaric. Klaric ist Rechtsberaterin für Asylwerber beim Verein Purple Sheep, der dort im „Freunde Schützen Haus“ Familien unterbringt, „die vor der ungerechtfertigten Abschiebung stehen“. Im Bau in der Arndtstraße wohnen jetzt 17 Familien, insgesamt kümmert sich der Verein derzeit um 26 Familien, am Heiligen Abend gibt es für rund 70 Kinder hier die Bescherung. Eine Menge Geschenke noch zum Einpacken für Klaric und ihre drei Kollegen, die ehrenamtlich für Purple Sheep arbeiten – helfende Hände sind übrigens gern gesehen.

Es ist das vierte Weihnachten, das im „Freunde Schützen Haus“ gefeiert wird. Für so lange Zeit war das nicht geplant, als im September 2010 Hans Jörg Ulreich den Bau dem Verein zur Verfügung stellte. Klaric lernte den Bauträger in dem Jahr kennen, als ein Fußballfreund von Ulreichs kleinem Sohn überraschend abgeschoben wurde. Er sei zornig gewesen, weil man nichts tun konnte, sagt Ulreich, gemeinsam habe man beschlossen, dies zu ändern.

Sichtbar machen

„Sichtbar machen, was da passiert, wenn bestens integrierte, unbescholtene Familien, die sich jederzeit selbst erhalten können, abgeschoben werden sollen. Die Fälle zu dokumentieren und Rechtsbeistand zu leisten, sind die Ziele des Vereins“, ergänzt Daniel Kurosch Allahyari, Obmann des Vereins und ebenfalls ehrenamtlicher Mitarbeiter. In den vergangenen Jahren habe man an die 500 Fälle betreut, in allen habe laut Allahyari der Asylwerber recht bekommen und seine Papiere für Österreich erhalten.

Sicherer Hafen

Bei den derzeitigen Bewohnern stehen die Entscheidungen noch aus. „Zum Teil dauert es zwei, drei Jahre, bis die Fälle geklärt sind“, berichtet Klaric. Die Kinder fühlen sich wohl hier, das merkt man, wenn man durchs Haus geht, an den Gemeinschaftsküchen und -bädern vorbei, wenn man im Aufenthaltsraum sitzt und sie auf der Suche nach einem Radiergummi oder einfach so, zum Tratschen, vorbeischauen.

„Dabei sind die meisten von ihnen in ständiger Angst und Unsicherheit aufgewachsen“, sagt die Rechtsberaterin. Gerade den Kleinen wollte man mit dem Haus einen sicheren Hafen geben, einen geschützten Bereich vermitteln, deshalb ist auch immer ein Purple-Sheep-Mitarbeiter vor Ort.

Stehen Arbeiten am Haus an, wird das gemeinsam mit den Bewohnern erledigt, oft mit Unterstützung Ulreichs. Und auch mit tatkräftiger Hilfe der Teamwerkstatt, eines Unternehmens, das Workshops und Seminare auf Handwerksbasis anbietet. So wurden nicht nur die notwendigsten Arbeiten in den Wohneinheiten und Gemeinschaftsräume durchgeführt, auch der Innenhof, in dem heuer zum ersten Mal ein Adventmarkt veranstaltet wurde, bekam ein neues, freundlicheres Gesicht. Finanziert werden diese Renovierungsarbeiten – wie auch Verpflegung, Heizung, Bekleidung, Möblierung etc. – mittels Sachspenden und finanziellen Zuwendungen, „nur von privater Seite, wir sind unabhängig“, wie Klaric betont. Seit einiger Zeit trägt auch Purple Eat zur Finanzierung bei: Die Bewohner richten Caterings aus, bald sollen sie einen Stand auf dem Meidlinger Markt „bekochen“.

Und das „Freunde Schützen Haus“? Auf längere Sicht soll das Gebäude entweder generalsaniert und aufgestockt oder abgerissen und ein neues Haus gebaut werden, berichtet Ulreich.

„Bis dahin vergehen sicher noch zwei bis drei Jahre. Aber falls es notwendig sein sollte, gibt es einen Ersatz.“ Wünschen tut sich das Ulrich aber nicht, genauso wenig wie Klaric und Allahyari. Was sie in ihren Brief ans Christkind schreiben würden: dass es nicht mehr nötig ist, solch ein Haus zu betreiben, „dass wir einfach zusperren können“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.12.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Wohnen

Garnisongasse: Logieren statt studieren

Die Studenten sind ausgezogen, jetzt wird umgebaut: In der Garnisongasse 3 im neunten Wiener Gemeindebezirk bekommt der Garellihof moderne Büros und Wohnungen.
Wohnen

Denkmal mit laufendem Hund

Hausgeschichte. Ein kleines Barockhaus im Kahlenbergerdorf erfährt eine größere Frischzellenkur. Und das Nebenhaus profitiert von Sockelsanierung und Umbau ebenso.
Wohnen

Häusergeschichten: Kulissen für cineastische Auftritte

Der Österreichische Filmpreis wandert – nicht nur durch das heimische Kinoschaffen, sondern auch von Raum zu Raum. Manchmal in bühnenreifem Ambiente.
Wohnen

Gumpendorfer Wohnhaus: Kastenfenster und Pawlatschen

Denkmalschutz, Laubengänge und ein spiritueller Name: Das Gumpendorfer Wohnhaus „Zum Auge Gottes“ wird von Grund auf saniert.
Wohnen

Die Familie als Nachbar

Vier Familien teilen sich das historische Areal einer Brauerei unweit von Wien. Nach und nach wurden die einzelnen Gebäude saniert und um ein Schwimmbad erweitert.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.