Der berühmteste Ex-Gefangene Russlands geht nicht in die Politik. Das hat Michail Chodorkowski Putin schriftlich zugesichert. Auch in seine Heimat wird der 50-Jährige vorerst nicht zurückkehren.
Berlin. Es war nicht zu erwarten, dass sich Michail Chodorkowski zwei Tage nach seiner Begnadigung als oberster Regimegegner in Szene setzen würde. Doch das kam dann doch überraschend: Der Ex-Oligarch sprach sich gegen einen Boykott der Olympischen Winterspiele in Sotschi aus. Dieses „Fest des Sports“ sollte man nicht verderben, sagte der 50-Jährige vor Journalisten im Mauermuseum am symbolträchtigen Checkpoint Charlie in Berlin. Für seinen einstigen Erzrivalen Wladimir Putin gab es von Chodorkowski mit Blick auf Sotschi nur einen kleinen Seitenhieb: Er hoffe, dass dieser das Ringspektakel nicht zu einem persönlichen Fest für sich selbst mache.
Zugleich bestritt Chodorkowski, dass an seine Freilassung Bedingungen geknüpft gewesen seien. Das Gnadengesuch habe auch kein Schuldeingeständnis enthalten. Der frühere deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher hatte Putin in zwei Geheimtreffen überzeugt, auf die alte Forderung nach Zeilen der Reue zu verzichten.
Chodorkowskis Schreiben an Putin umfasst aber zwei – möglicherweise entscheidende – Zugeständnisse: „Ich habe nicht vor, mich mit Politik zu befassen“, schreibt der 50-Jährige. Auch um seine Anteile an Yukos will er nicht kämpfen. Der Ölkonzern war vier Jahre nach Chodorkowskis Verhaftung zerschlagen worden.
Kein Geld für Opposition
Am Sonntag erklärte Chodorkowski erneut: „Der Kampf um die Macht ist nicht meine Sache.“ Auch die Opposition will Chodorkowski nicht finanzieren, wie er das vor seiner Verhaftung als damals noch reichster Mann Russlands getan hatte. Chodorkowski kündigte jedoch an, sich für andere Häftlinge in Russland einsetzen zu wollen, insbesondere seinen vormaligen Yukos-Partner Platon Lebedew, der noch immer in Haft sitzt. Und er mahnte: „Meine Freilassung soll kein Symbol dafür sein, dass es keine politischen Gefangenen in Russland mehr gibt.“ Er wolle vielmehr ein Symbol dafür sein, dass Anstrengungen der Zivilgesellschaft zur Freilassung von Menschen führen könnten, mit der niemand rechnet. Nach Angaben von Spiegel Online sagte Chodorkowski auch einen zweiten bemerkenswerten Satz: „Russland sollte eine wirkliche Demokratie sein. Das gefällt nicht nur der Führung nicht, sondern ebenso wenig der russischen Gesellschaft.“
Wo er künftig leben wird, ließ Chodorkowski offen. Vorerst bleibt er aber in Deutschland. Eine Rückkehr nach Russland schloss der 50-Jährige aus, weil er dort wegen einer noch gültigen Geldstrafe von 400 Millionen Euro festgenommen werden könnte. Auch ein Engagement in der Wirtschaft käme nicht infrage. Einen Fußballverein wird er sich ebenfalls nicht kaufen, witzelte Chodorkowski mit Anspielung auf Roman Abramowitsch. Der Oligarch ist Besitzer des Londoner Topklubs Chelsea – übrigens seit 2003, dem Jahr, als Chodorkowski festgenommen wurde.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.12.2013)