Hoffentlich kommt Chris Rea endlich daheim an

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Über Weihnachtsmusik in Geschäften zu schimpfen, ist nicht rasend originell. Aber das ist die Weihnachtsmusik ja auch nicht.

Über Weihnachtsmusik in Geschäften zu schimpfen, ist nicht rasend originell. Aber das ist die Weihnachtsmusik ja auch nicht. Dass alle Shops und Einkaufszentren Österreichs ausschließlich mit „Ö3 Christmas Hits 1+2“ bestückt sind, gehört offenbar zu den in der Verfassung verbrieften Grundkonstanten des Landes. Man wünscht sich nichts sehnlicher, als dass Chris Rea endlich daheim ankommt, um nicht noch eine Runde „Driving home for Christmas“ singen zu müssen. Würde José Feliciano am liebsten mit schwarzer Bohnensuppe bewerfen, um sein „Feliz Navidad“ zum Verstummen zu bringen. Und entdeckt, wie unglaublich aggressiv der Pazifismus von John Lennons „Happy Xmas“ machen kann. War is over? Sieht nicht so aus. Noch dazu, weil all die Leute hier sicher schon längst alle Geschenke haben und nur da sind, um im Weg zu stehen. Im voll besetzten Lift loszuschreien: „Die Fahrscheine, bitte!“, kann die vorweihnachtliche Verkrampfung übrigens durchaus lösen. So man sich traut.

Zumindest in der U-Bahn ist „Driving home for Christmas“ noch nicht angekommen. Dafür aber zwei Worte, die bei jeder Station aus hunderten Mündern zu hören sind – ja, die geradezu das Weihnachtsfest in all seiner Unendlichkeit perfekt zusammenfassen. Wenn zwei mit Einkaufstaschen behängte Christbäume – pardon, Fahrgäste – ihre Unterhaltung ausklingen lassen, wenn schließlich einer durch die offene Tür aus der U-Bahn stakst und der andere seine Taschen noch ein paar Stationen weiter spazieren fahren muss, da ertönen sie in ihrer ganzen Besinnlichkeit: „Dir auch!“ Was immer da auch vorher gesagt wurde – man hört bei all dem Gemurmel ja nicht so gut – es muss etwas sein, was eine tröstliche Botschaft in sich trägt. Denn kaum sind die Worte ausgesprochen, kaum schließt sich danach die U-Bahn-Tür, ist da auf einmal dieses Lächeln. Weicht die Anspannung aus dem Gesicht. Und mit sanftem Glockenläuten steigt er plötzlich vom Himmel herab, der Weihnachtsfriede. In diesem Sinn: Ihnen auch!

E-Mails an: erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.12.2013)

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