Südsudan: Der Traum vom Frieden implodiert

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Im jüngsten Staat der Welt, einem der ölreichsten Afrikas, nährt ein Machtkampf zwischen politischen Rivalen die Angst vor einem Bürgerkrieg. US-Präsident Obama ist alarmiert.

In der Nähe des Präsidentenpalasts in Juba flackerte Mitte Dezember Mündungsfeuer auf, als Gerüchte von der Verhaftung des im Sommer abgesetzten Vizepräsidenten, Riek Machar, in der Hauptstadt des Südsudans die Runde machten – und damit war es mit dem Frieden in dem jüngsten Staat der Welt vorbei. Die Spirale der Gewalt war in Gang gesetzt, ausgelöst durch diese Spekulationen plünderten Militärs die Waffendepots. Seither eskalieren die Kämpfe im Südsudan.

Präsident Salva Kiir, Machars Gegenspieler, tauschte den Anzug und den breitkrempigen Cowboyhut, den ihm einst George W. Bush als Geschenk verehrt hatte – Zeichen der Häuptlingswürde –, gegen eine militärische Tarnuniform und sprach von einem Putschversuch. Sein ehemaliger Mitstreiter Machar, den Kiir als „Propheten des Unheils“ punziert hatte, forderte ihn daraufhin unverhohlen zum Rücktritt auf.

Wo vor zweieinhalb Jahren die Menschen ihre Unabhängigkeit ausgelassen in Tänzen und Gesängen feierten, trieben nun Tote im Nil. Bei den Unruhen kamen vorläufig rund 500 Menschen ums Leben, darunter mindestens vier indische Blauhelmsoldaten. 40.000 Flüchtlinge suchten Schutz in UN-Lagern, und als am Wochenende US-Flugzeuge amerikanische Bürger evakuieren wollten, gerieten sie unter Beschuss von Milizen.

Herzenssache für Clooney

Dabei hat niemand so sehr die Unabhängigkeit des christlich dominierten Südens vom islamisch-arabisch geprägten Norden mit der Hauptstadt Khartum betrieben als die USA. George W. Bush und Barack Obama propagierten die Spaltung des von einem jahrzehntelangen Bürgerkriegs zerrissenen Sudans, Aktivisten wie Hollywood-Star George Clooney ergriffen dezidiert Partei für den Südsudan.

Für Clooney, einen Aktivisten, der auch für die Autonomie der sudanesischen Provinzen Darfur und Abye eintritt, ist es eine Herzenssache: Er finanziert einen Satelliten, der den umstrittenen Grenzverlauf überwacht. An Ort und Stelle beobachtete er auch die Rechtmäßigkeit des Referendums im Jänner 2011, das mit einem überwältigenden Votum von 99Prozent zugunsten der Abspaltung des Südsudans endete.

In seinem Urlaubsrefugium auf Hawaii lässt sich derweil Präsident Barack Obama täglich über die Lage im jüngsten Staat der Welt, dem offiziell 193. Mitglied der UNO, Bericht erstatten. Das Land, eines der ölreichsten Afrikas, gilt als Prestigeprojekt des Westens auf dem Kontinent – als Exempel dafür, wie man einen neuen Staat samt allen Institutionen aus dem Boden stampft.

Westliche Staaten pumpen trotz des beträchtlichen Ölreservoirs denn auch hunderte Millionen Dollar an Entwicklungshilfe in die südsudanesische Hauptstadt Juba.

Die Ölressourcen, die zum Großteil in der Grenzregion im Norden liegen, sind seit Jahrzehnten umfehdet. Inzwischen haben hier, in der symbolträchtigen Provinz Unity, die Anhänger Machars die Kontrolle übernommen. Sie haben auch die strategisch wichtige Stadt Bor, das Einfallstor für das südlich gelegene Juba, erobert.

In Bor verübten die Milizen Machars 1991 ein Massaker am Mehrheitsvolk der Dinka, dem rund 2000 Menschen zum Opfer fielen – unvergessen bis heute. Die Rivalität zwischen den Ethnien ist nicht begraben, nur der Kampf gegen das Bashir-Regime in Khartum einte die konkurrierenden Stämme.

Schuldgeständnis unter Tränen

Unter Tränen gestand Machar, ein Mitglied des Stamms Lou-Nuer, später seine Schuld ein und suchte den Schulterschluss mit Kiir. Der beerbte den legendären Rebellenführer John Garang und avancierte zum ersten Präsidenten der Republik. Als ihm erstmals Putschgerüchte zu Ohren kamen, entmachtete er seinen Vizepräsidenten Machar im Sommer. Prompt kündigte der seine Kandidatur für die Präsidentenwahlen im Jahr 2015 an.

In Afrika wächst unterdessen die Angst vor einem ethnisch grundierten Bürgerkrieg. „Der Geist sei aus der Flasche“, urteilte ein Beobachter. Nun soll ausgerechnet Ugandas Präsident, Yoweri Museweni, vermitteln, selbst ein Autokrat.

Ban will UNO-Truppen verstärken

Indes wollen die Vereinten Nationen ihre Truppen im Südsudan verstärken. "Ich werde noch heute dem Sicherheitsrat einen entsprechenden Vorschlag unterbreiten", sagte UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon am Montag in New York. Noch könne er aber nicht sagen, wie viele Blauhelmsoldaten er anfordern will.

Derzeit stehen 7000 Soldaten und Polizisten unter UNO-Flagge in dem afrikanischen Staat. Vergangene Woche kamen zwei indische Infanteristen ums Leben. Andere UNO-Missionen dürften nicht verringert werden, sagte Ban. Nach seinen Angaben haben 45.000 Zivilisten auf UNO-Stützpunkten im Land Schutz gesucht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.12.2013)

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