Korruptionsskandal stürzt Türkei in Regierungskrise

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Drei prominente türkische Minister legen ihre Ämter nieder, nachdem ihre Söhne festgenommen wurden. Erdogan verkündet daraufhin eine umfassende Regierungsumbildung: Sieben weitere Minister werden ausgetauscht.

In der Türkei sind binnen weniger Stunden drei Minister nach Korruptionsermittlungen gegen ihre Söhne zurückgetreten. Wirtschaftsminister Zafer Caglayan und Innenminister Muammer Güler legten am Mittwoch ihre Ämter nieder. Umweltminister Erdogan Bayraktar folgte kurz darauf mit diesem Schritt.

Die Söhne von allen drei Ministern waren im Zuge der Ermittlungen zur Korruptionsaffäre ins Visier der Justiz geraten. Während die Söhne von Caglayan und Güler in Untersuchungshaft genommen wurden, wurde der Sohn von Umweltminister Bayraktar nach einer Befragung wieder laufen gelassen. Insgesamt wurden in der Affäre um die staatliche Halkbank 24 Menschen festgenommen, darunter der Bankchef Süleyman Aslan.

Den Festgenommenen wird vorgeworfen, einem kriminellen Ring angehört zu haben, der die Bestechung von Politikern organisiert haben soll, um illegale Goldgeschäfte der Halkbank mit dem Iran zu vertuschen. Die Affäre reicht weit in die politische und wirtschaftliche Elite hinein. So sind unter den Verdächtigen der Bürgermeister des konservativen Istanbuler Stadtteils Fatih, Mustafa Demir, und der bekannte Bauunternehmer Ali Agaoglu.

"Schändliche Verschwörung"

Er trete zurück, "damit diese unwürdige Operation gegen unsere Regierung aufgeklärt werden kann", erklärte Caglayan am Mittwoch. "Die am 17. Dezember gestartete Operation ist eindeutig eine schändliche Verschwörung gegen unsere Regierung, unsere Partei und unser Land." Güler dagegen erklärte lediglich, er habe bereits am 17. Dezember seinen Rücktritt angekündigt und habe nun sein schriftliches Rücktrittsgesuch eingereicht.

Bayraktar sagte ntv in einem Telefonat, er könne alle von den Ermittlern gegen ihn erhobenen Vorwürfe aufklären und habe ohnehin meist auf Anweisung des Ministerpräsidenten gehandelt. Auf ihn sei Druck ausgeübt worden, zurückzutreten und eine Erklärung abzugeben. Er deutete an, dass diese Erklärung die Regierung entlasten sollte. Ein Großteil der von ihm verantworteten Bauprojekte, die in der Affäre ins Visier der Ermittler geraten sind, sei mit der Zustimmung des Ministerpräsidenten entstanden. Bayraktar forderte Erdogan zum Rücktritt auf.

Bei seinem ersten öffentlichen Auftritt nach den Rücktritten sagte Regierungschef Erdogan, seine Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) werde Korruption nicht dulden. Sollte sie es dennoch tun, hätte sie ihren Daseinszweck verloren, erklärte er auf einer Parteiversammlung in Ankara.

Am Mittwochabend versuchte Erdogan dann mit einer umfassenden Regierungsumbildung den Befreiungsschlag: Der Premier den Austausch von zehn Ministern in seinem Kabinett bekannt, darunter jener für Justiz und Wirtschaft. Auch der einflussreiche EU-Minister Egemen Bagis muss demnach seinen Hut nehmen.

Erdogan äußerte sich nach einem Treffen mit Staatspräsident Abdullah Gül, der Medienberichten zufolge auf den Rücktritt von Bagis gedrängt hatte. Der EU-Ressortchef und die drei bereits im Laufe des Tages zurückgetretene Minister waren in der Korruptionsaffäre besonders belastet worden.

Erdogan versus Gülen

Die Affäre ist zu einer Machtprobe der Regierung mit Justiz und Polizei geworden, denen Erdogan vorwirft, die Affäre inszeniert zu haben, um seiner Regierung zu schaden. Erdogan entließ im Zuge der Ermittlungen dutzende Polizeichefs. Hinter der Affäre steckt offenbar ein Machtkampf zwischen Erdogan und den Anhängern des extrem einflussreichen islamischen Predigers Fetullah Gülen, die besonders zahlreich sind in Justiz und Polizei.

Mitauslöser des Konflikts waren Pläne der Regierung, ein Netzwerk von Schulen der Gülen-Bewegung zu schließen. Die landesweite Bewegung hat bisher Erdogans AKP bei den Wahlen stets unterstützt. Der Streit könnte bei den Ende März anstehenden Kommunalwahlen, die als wichtiger Stimmungstest für die ohnehin angeschlagene AKP gelten, zu einer Machtverschiebung führen.

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