Türkei: Wachstums-Champ auf Pump

Die Wirtschaft wächst überdurchschnittlich, eine Gefahr ist die hohe Verschuldung der Haushalte über Kreditkarten.

Ankara. Das Beben in der türkischen Regierung hat die seit Bekanntwerden der Korruptionsermittlungen geschwächte Börse noch nicht beruhigt. Die Aktienkurse sind weiterhin auf Talfahrt. Die Landeswährung Lira fiel am Donnerstag zeitweise auf ein historisches Tief, sodass für einen Dollar 2,1025 Lira gezahlt werden mussten. Auch Staatsanleihen mussten Federn lassen, obwohl die Reaktionen wegen des feiertagsbedingt ruhigen Handels auf den internationalen Märkten gedämpft waren.

Trotz der politischen Turbulenzen steht die türkische Wirtschaft gut da. Bis November lag das Wachstum bei vier Prozent, ein Wert, von dem Europa nur träumen kann. Für 2014 und 2015 peilt die Regierung ein Plus von fünf Prozent an. Nach Raten von 9,2 (2010) und 8,5 Prozent (2011) musste sich die Türkei im Vorjahr wegen der internationalen Krise mit nur 2,2 Prozent Wachstum zufriedengeben.

Allerdings ist das Wachstum auch hohen Krediten geschuldet. Wenn sich die Pro-Kopf-Einkommen in den vergangenen zehn Jahren verdreifacht haben, liegt das nämlich an den üppigen Kreditkartenfinanzierungen. Die Kreditkartenschulden sind von 14 Milliarden Lira im Jahr 2004 auf nunmehr 82 Milliarden Lira (knapp 30 Milliarden Euro) gestiegen. Erdoğan persönlich warnte deshalb wiederholt vor dem Konsum auf Pump und der drohenden Schuldenspirale. Eine strengere Regulierung steht daher im Raum.

Das zweite Problem sind die großen Energieimporte. Der Bedarf hat sich aufgrund der starken Wirtschaft binnen zehn Jahren verdoppelt. Die jüngste Annäherung zwischen den USA und dem Iran lässt die Türkei hoffen. Mehr iranisches Öl und Gas und damit sinkende Preise könnten das hohe Leistungsbilanzdefizit entlasten. Der Iran ist nach Russland der größte Öllieferant der Türkei. (ag./eid)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.12.2013)

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