Die Muslimbrüder zur Terrororganisation zu erklären, wird Ägypten weiter destabilisieren.
Nein, die Muslimbrüder sind wahrhaft keine Engel. Das Risiko einer Verwechslung dürfte relativ überschaubar sein. Es handelt sich um eine stramm hierarchisch aufgebaute Organisation, deren Ziel eine in allen Aspekten islamisierte Gesellschaft ist. Eine Gesellschaft und ein Staat, die die weltlichen Gesetze nicht mehr so nötig haben, da es ohnehin die angeblich göttlichen gibt. Dieses Ziel verfolgen sie mit vielen, oft bedenklichen, aber nicht mit allen denkbaren Mitteln.
Was die Muslimbruderschaft nämlich nicht ist: eine Terrororganisation. Dem derzeitigen Regime in Kairo – man kann die vom Militär nach dem Coup vom Juli eingesetzte „Übergangsregierung“ nicht anders bezeichnen – genügte es nicht, die Bruderschaft einmal mehr zu verbieten, wie im Herbst geschehen. Man legte nun noch eins drauf und erklärte mit einem Schlag zehntausende Menschen, die in der Bruderschaft Mitglied sind oder nur mit ihr sympathisieren, in Bausch und Bogen zu Terroristen.
Das ist ein hervorragendes Rezept – wenn man vorhat, das Land noch tiefer zu spalten. Die nach dem Putsch geäußerten Bekundungen, im neuen Ägypten hätten alle politischen Strömungen Platz, waren nicht mehr als Valium fürs Ausland. Dass man die in Teilen der Bevölkerung nach wie vor stark verwurzelten Muslimbrüder nun völlig in die Illegalität treibt, wird Ägypten sicher nicht stabiler machen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.12.2013)
